Kocherscheidts Bildmotive sind eine einzige Form, manchmal zwei oder drei ähnliche Formen, die er in meist düster gedämpften Farbschichten über ein, teilweise über drei Leinwände zieht oder dreidimensional aus Holztafeln schneidet. „Ich verstehe die Entwicklung eines Bildes als Fluss von Bildern, der beinahe beliebig angehalten wird“, so Kurt Kocherscheidt, Ehemann der bekannten Fotografin und Helmut Lang-Muse Elfie Semotan. „Eine Idee oder auch nur ein Gedanke wird aufgerissen, verdichtet und überlagert, zersplittert und wieder zusammengefasst.“ Der Inhalt bleibt, außer bei den frühen fantastischen Werken der frühen Siebziger Jahre, vollends kryptisch. Die Bilder sind nicht abstrakt, sie sind nicht nicht-abstrakt. Sie sind irgendetwas dazwischen und dabei so präzise, so virtuos genau, dass einem eben schier schwindelt angesichts soviel Wahrheit.
Eine Erfahrung, die einen irgendwie an Musik erinnert. Kocherscheidt, so erfährt man bei genauer Lektüre des Ausstellungskatalogs (Buchhandlung Walther König, € 34,80.-, 248 Seiten, 168 Abb. deutsch/englisch), führte seit seinem zwanzigjährigen Lebensjahr einen intensiven künstlerischen Dialog mit dem gleichaltrigen Komponisten Wolfgang Rihm. Aber das nur als Fußnote.
Auch wenn Kocherscheidt unter Kennern hochgeschätzt wurde, international bekannt wurde er erst so richtig im Jahre seines Todes. Der belgische Kurator Jan Hout hatte ihn sozusagen für den internationalen Markt entdeckt, ihm ein Jahr zuvor noch eine Einzelausstellung im Museum van Hedendaagse Kunst in Gent gewidmet. 1992 war Kocherscheidt dann mit zwei Werken auf der documenta9 in Kassel vertreten. Noch im Juni seines Todesjahres errichtet der zeitlebens schwer herzkranke Kocherscheidt auf der Insel Syros, auf dem Anwesen von Michel Würthle, seine sechs Meter hohe Holzskulptur „Tor der Winde“. Was für ein Abschied! Nur sechs Monate später starb Kocherscheidt, einer der ganz großen Maler der Gegenwart.
erschienen in Kunstzeitung Nr.84/Aug.03,S.9