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Von Antje Mayer.

An oder Aus? Die Ausstellung „Sound System“ im Salzburger Kunstverein

Der britische Künstler Martin Creed (Jahrgang 1968) macht bekanntlich gerne das Licht an und wieder aus und bezeichnet das als Skulptur. Dafür hat er den Turnerpreis 2001 bekommen. Wie auch seine Band „Owada“ als ein Kunstprojekt herhalten kann oder eben die Installation „Work No.122: All Sounds in a Drum Maschine“ (1995-2000), die Creed in der Ausstellung „Sound System. Musik und Klang als gestalterisches Element der zeitgenössischen bildenden Kunst“ im Salzburger Kunstverein zeigt (noch bis 12. Oktober). Eine Drum Maschine wummert nacheinander alle seine Rhythmusvarianten durch einen popgeschichtlich bedeutenden, wie dekorativen, Vox-Verstärker. Einer der ersten Gitarrenverstärker übrigens, die schon die Beatles verwendeten. Eine Minute Sound, eine Minute Pause. An und aus.

Insgesamt elf Künstler präsentieren die Kunstvereinsleiterin Hildegund Amanshauser und der Soundexperte Edek Bartz gemeinsam im Salzburger Kunstverein. Zwei Schwerpunkte haben sie sich gesetzt. Erstens, passend zu den Festspielen, die Beschäftigung von Künstlern mit klassischer Musik, zweitens die Präsentation von „Sound Systemen“ als Kunstobjekte.

Das „Sound System“ des schwedischen Künstlers Henrik Håkansson, der nebenbei auf der heurigen Venedig Biennale seine „Dusk-Dawn“-Vinyl in Massen unters Besuchervolk brachte, kann man nicht im eigentlichen Sinne an- oder ausschalten. Es besteht aus Verstärker, Mikrofonen, Verzerrer und einer Band mit gänzlich schrägem Klang: Ein paar Dutzend „Monster of Rock“, lebende Grillen, die – je nach Tageszeit- ihren zirpenden Biosound zum Besten geben.

Weniger an Soundsystemen denn an Musik in Kombination mit dem klassischen Tafelbild ist die in New York lebende US-amerikanische Künstlerin Nadine Robinson (1968) interessiert. Aus zwei Boxen ertönt in Salzburg eine geloopte Zeile aus dem Poplied „Thin Line Between Love And Hate“ von den Pretenders. Dazwischen auf einer großen weißen Leinwand verkündet eine dünne Textzeile in Gold, was Robinson liebt (oder hasst?): Money, Dogs, Germany... „Eine Art Selbstportät“, schmunzelt Robinson, die sich in der Tradition des amerikanischen Minimalismus sieht.

In der Arbeit des polnischen Künstlers Artur Zmijewskis (1966) „Singing Lesson 1 + 2“ geht es nicht um Popgeschichte, zumal er als Pole einen anderen Zugang als der Brite Creed und die Amerikanerin Robinson dazu haben dürfte. Sein Video ist ein Mix aus Sozialprojekt und klassischer Musikproduktion. Er zeigt zwei Choraufführungen von gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen in Leipzig und Warschau, die eine Bachkantate und ein Kyrie von Jan Maklakiewicz singen. Der Vortrag der Behinderten ist -wie das Konzept auf den ersten Blick befürchten lässt - keineswegs mitleidserregend, sondern außerordentlich berührend angesichts seiner unerwartet intensiven und professionellen Musikalität. Mit Abstand einer der stärksten Arbeiten der sehr engagierten, aber nicht viel Neues zeigenden Sound-Schau in Salzburg.

Zu sehen, beziehungsweise zu hören, ist ein Soundaltar des Briten Mark Leckey, außerdem Videos von documenta X-Teilnehmer Joachim Koester (Dänemark), Biennale-Bekannten wie Imars Blumberg/Viesturs Kairiss und Laila Pakalnina (Lettland). Arbeiten von Neuentdeckungen wie Kai Kaljo (Estland) und der jungen Österreicherin Elisabeth Penker (1974) frischen die Show auf. Konzertausschnitte aus dem „unendlichen“ Musikstück des Kanadiers Rodney Graham mit dem komplizierten Titel „Parsifal. 1882 ca. 17 Uhr bis 38 969 364 735 ca. 19 Uhr 30“ sind übriges noch am 20.9. und 12.10. 2003 im Kunstverein live (!) zu hören.



erschienen in Kunstzeitung Nr.85/Sept.03,S.27