Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




„Technologie, dass heißt die jeweilige Verwendungsart von Technik, ist ein soziales Verhältnis.“ (Manfred Faßler) Von Antje Mayer.

Alle Kommunikation abbrechen

...oder wie man nie einsam ist

„PROTOTYPE“ stellt unterschiedliche Haltungen und Strategien von Menschen vor, die sich die Ablehnung von befehlsförmigen (Gebrauchs-) Anweisungen und Normen zur Methode gemacht haben. Es sollen deren Taktiken der Unterwanderung soldatischer Order und der Hierarchie von „Markt, Maschine und Mensch“ gezeigt werden, alles zentrale Erfahrungen von Technik heutzutage.

Nicht nur Objekte, Technik und Maschinen können prototypisch sein, auch das Handeln und das Denken. Die Prototype beinhaltet immer eine Vision, etwas, was der Zeit vorauseilt. Vordergründig ähnelt sie dem Unikat, das dem Dogma des Einzigartigen folgt, aber darin liegt nichts Visionäres mehr. Denn das Unikat erinnert zu sehr an Methoden des Kapitalismus: an Markenwaren, an staatlich sanktionierte Monopole und sogenannte Urheberrechte auf Software, Gerätschaften und Musik. Das System des Unikats klingt zu sehr nach Kunstmarkt und es macht einsam.

Deswegen will das, was bei diesem Projekt unter „Prototype“ verstanden wird, nicht so sehr die einzelnen Objekte, das heißt die Instrumente, in den Vordergrund stellen, sondern vielmehr Möglichkeiten prototypischer Taktiken präsentieren. Deswegen wurde auch bewusst auf Abbildungen von Gehäusen von Prototypen-Instrumenten verzichtet und lediglich Röntgenaufnahmen verwendet, um herauszustreichen, dass es hier nicht um materielle Produkte geht.

Prototypische Taktiken können sich in einem Instrument von Pan Sonic widerspiegeln, aber auch in der Kompositions-Methode von Alexei Borisov; sogar im musikalischen Geschlechter-Diskurs von Terre Thaemlitz. Bei allen erfüllt der Sound das prototypische Prinzip des Temporären und durch seine unabhängige Produktionsmethode auch des Autonomen. Die Kommunikation mit der Gesellschaft wird abgebrochen, um sie zu treffen. Und wenn die Kommunikation überhand nimmt, wieder das gleiche Spiel: Der Kontakt wird abgebrochen. Einsam kann man mit der prototypischen Methode nicht werden, aber frei. Sie ist sehr kommunikativ.

Alle Elektroniker, die hier exemplarisch beschrieben werden, von Leon Theremin bis Udo Wid, haben jeweils eigene „Instrumentarien“ entwickelt, um autonom und unabhängig vom kommerziellen Markt für „Elektronische Musik“ und jenseits wissenschaftlicher Schablonen, Sound und Musik (re)produzieren zu können. Deswegen auch der Titel des Festivals: „Prototype. Armaments & Armatures Against Electronic Music“: Ausrüstungen und Armaturen gegen Elektronische Musik. Ein wenig unkommunikativ wird man noch sein dürfen.

Die vorgestellten Prototypen wurden nie erfunden, um wie ein klassischer Produkt-Prototyp in Serie zu gehen. Der Appeal der Prototype liegt in der Möglichkeit, vielleicht so perfekt zu sein, dass sie tausendfach reproduziert werden könnte, und dass daraus eventuell Kapital geschlagen werden könnte, aber darum wird sie von vornherein nicht erfunden. Manchmal ist sie sperrig und eigentlich unbenutzbar. Manchmal kokettiert sie, wie ein Star, mit ihrer Reproduktion, hat es aber freilich nie vorgehabt. Deswegen hat die Prototype, wie der russische Elektroniker Richardas Norvila schreibt, auch „etwas sehr erotisch und verführerisches an sich.“ Und sollte eine Prototype, auch die des Handelns und des Denkens, doch einmal „in Serie“ gehen, eleminiert sie sich selbst. Das ist auch nicht schlecht. Bald sollte man aber eine neue erfinden. Ein Prinzip des Marktes, das gegen ihn selbst gerichtet ist. Das Imperium schlägt zurück. Deswegen: Ein Prototyp gehört in jeden Haushalt.



Prototype - Katalog kann bei uns bestellt werden
erschienen im Katalog im Zuge des Festivals „Prototype. Armaments & Armatures Against Electronic Music“, Okt.02,