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Dicke Luft am Arbeitsplatz und im trauten Heim macht krank. Pflanzen sorgen nicht nur für seelische Balance in den vier Wänden, sondern sind auch die perfekten Befeuchter und Entgifter für die Luft. Von Antje Mayer.

Grüne Lungen fürs Büro

Auch wenn draußen das schönste Sommerwetter lockt und ein laues Lüftchen weht, die Mehrzahl der Menschen verbringt doch die meiste Zeit des Tages in geschlossenen Räumen und vor allem im Büro. Sage und schreibe mehr als 20 Stunden täglich hält sich der Nordeuropäer durchschnittlich im Haus auf. Dort erwartet einen ein Großangriff auf die Gesundheit: Schlechte Luftzirkulation, Nikotin und Schadstoffe aus der Einrichtung und Staub, der Ruß, Mikrofaser und den gefürchteten Milbenkot enthalten kann, setzen der Konstitution zu. Eine Unzahl von giftigen Stoffen, allen voran der Formaldehyd, auch Acetone, Bezene, Toluene werden von Möbeln, Teppichen und Zigaretten ausgedünstet und führen bei den Menschen nicht nur zu Reizungen der Haut, Augen und Schleimhäute, sondern auch zu Kopfschmerzen, Allergien und Kreislaufstörungen. Dazu kommen krankmachende Bakterien und Viren. Die letzte Konsequenz: Krebs. Richtig schlimm wird es im Winter, wenn die Heizungen auf Hochtouren laufen. Dann herrscht in Räumen meist nur 30 Prozent Luftfeuchtigkeit. Gerade einmal die Hälfte der Menge, die Menschen als noch angenehm empfinden: Das wären jedoch mindestens 50 bis 60 Prozent.

In vielen Büros lassen sich die Fenster nicht einmal vorübergehend öffnen, wenn ja, dann zieht es den lieben Kollegen oder es ist unerträglich laut auf der Straße. Wenn von außen keine Frischluft hereinkommt, muss eben der Mief im Inneren gereinigt werden. Das hat sich schon vor über 20 Jahren die amerikanische Weltraumbehörde NASA gedacht, die ein ähnliches Problem beim bemannten Raumflug erkannte. Dabei entdeckten die Forscher, dass ganz gewöhnliche Zimmerpflanzen, wie die Grünlilie, Philodendrohn, Yucca, Dieffenbachia, Einblatt, Ficus, Zwergbanane und Drazäne (siehe Fotos) die perfekten Luftreiniger sind, kurzum: Lunge und Leber für die Räume.

Sie atmen wie Menschen und Tiere, befreien die Luft von Staub und Gift, erzeugen über Photosynthese Sauerstoff und regulieren die Luftfeuchtigkeit. Außerdem machen sie unglaublich relaxt. Forschungen haben gezeigt, dass beim Anblick von Grün das Auge zur Ruhe kommt. Anhand von Messungen des Blutdrucks, der Muskelspannung und des Hautwiderstandes konnte nachgewiesen werden, dass man beim Betrachten von Grün die wenigste Energie aufwenden muss. Der Mensch wird gefasst, entspannt und baut nach nur kurzer Zeit merklich Stress ab. Der Homo sapiens ist auf diese natürliche Umgebung eben geeicht. Sein Auge kann sage und schreibe bis zu 1.000 Grüntöne unterscheiden, während er für Rot und Blau kein Auge hat. Nur wenige Hundert kann er dabei auseinanderhalten.

Die Liebe zum Grün steckt nun einmal in unseren Genen, schließlich hat sich die Evolution der Menschen annähernd zwei Millionen Jahre im Grünen abgespielt. Grün signalisierte den Urmenschen, hier bist du Mensch, hier kannst du sein, sprich im Grün gibt es genug Wasser, Nahrung und Schutz.

Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass Menschen die Pflege von Pflanzen als äußerst befriedigend empfinden und sie dadurch sogar mehr Selbstvertrauen geschenkt bekommen. Wenn Arbeitnehmer sich am Arbeitsplatz ihre Schreibtischfauna selbst aussuchen dürfen, wählt fast die Hälfte eine Sorte, deren Wachstum zu beobachten ist.

Schon die alten Ägypter „domestizierten“ Gewächse in Behältern und die Chinesen zeigten bereits vor 2.500 Jahre bei Gartenausstellungen Blattpflanzen im Topf. Dass die alten Römer ihre Atrien mit Lorbeerbäumen in Steingefäßen zierten, ist durch zahlreiche Wandmalereien belegt.

Die grünen Blätter sind zwar Labsal für die Seele, aber die beglaubigten Entgifter sind vielmehr die natürlichen Bodenbakterien in den Wurzelballen. Die Mirkoorganismen sind nämlich gierig nach Schadstoffen, von denen sie sich ernähren. Und damit bei den lieben Vielfrassen so richtig Appetit aufkommt, liefern die Pflanzenwurzeln noch Zucker und organische Säuren dazu. Um dagegen die Luft reinigen lassen zu können, müsste man seine Zimmer schon in einen Urwald verwandeln. Immerhin 70 große Töpfe Grünlilien in etwa wären für einen 170 Quadratmeter großen Raum schon nötig, und das reicht auch nur, wenn dieser gut isoliert ist.

Klingt einerseits viel, aber anderseits gibt es in Großraumbüros für gewöhnlich auch mehr Platz für eine Menge grüner Luftmüllentsorger. Wenn man sie geschickt verteilt, stören sie nicht. Und wer hat schon was dagegen, in einem Gewächshaus zu arbeiten? Besonders wirkungsvoll haben sich die Pflanzen ohnehin als Raumluftbefeuchter herausgestellt. Etwa 90 Prozent des Gießwassers wird über die Pflanzen als keimfreies Wasser in die Luft verdampft. Besonders effektiv, als „Prima-Klima-Pflanzen“ sozusagen, gelten die Zimmerlinde, das Zypergras und die Zierbanane. Birkenfeige und Zierspargel sind übrigens die perfekten Putztrupps, weil sie Staub binden, der durch Computer, Kopierer und die Heizung aufgewirbelt wird.

Und was tun, wenn der Chef sich querstellt und ein Grüngegner ist? Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter, die genügend Grün um sich hatten, weniger im Krankenstand waren und konzentrierter arbeiteten. Büropflanzen lassen sich genauso wie Büromöbel als Betriebsausgaben und Werbungskosten steuerlich absetzen. Man schlage dem Chef vor, selbst die Pflege zu übernehmen, zur Erlangung innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Dazu gehört, welke, kranke Blüten und Blätter systematisch zu entfernen, regelmäßig, einmal wöchentlich, die Ober- und Unterseite der Blätter mit einem Schwamm und lauwarmen Wasser zu säubern und natürlich zu gießen und zu düngen. Und wenn der Chef fürchtet, dass durch diese Pflege wertvolle Arbeitszeit „verloren“ geht, dann schlage man einfach einen Vertrag mit einem Fachbetrieb vor, der die Arbeit regelmäßig übernimmt. Und wenn das alles nicht überzeugt, dann schenke man ihm einfach einen Topf Grünlilien. Er wird sicher auf den Geschmack kommen. Vergessen Sie nicht die Gene!

Tipps:

Ideale Luftreiniger sind die Grünlilien und die Zierbanane. Effektiv sind auch Philodendrohn, Yucca, Dieffenbachia, Einblatt, Ficus und Drazäne. Gerbera, Drachenbaum, Einblatt und die Bergpalme sind übrigens in der Lage Tripchlorethylen abzubauen, das krebserzeugend ist und viele Jahre in Druckertinte, Farben, Lackierungen, Firnisse und Klebstoff verwendet wurden.

Wenn man der Pflanzenerde ein wenig Aktivkohle untermischt, ist das Reinigungsergebnis der Luft besser. Eine ähnlich gute Luftreinigung ist übrigens mit Seramis möglich, da dessen Körner offenporig sind und einen hohen Lufteinschluss im Erdreich ermöglichen.

Staubfreie Blätter können besser atmen und die Luft besser reinigen. Deswegen sollte man die Pflanze einmal die Woche unter die Dusche stellen. Wer im Büro keine Nasszelle hat, sollte die Blätter einmal die Woche mit einem Schwamm oben und unten reinigen. Wenn die Hälfte des Waschwassers mit Bier oder 30 Prozent Alkohol versetzt wird, werden sie leichter sauber und glänzen schöner.

Als optimale Pflanzenstandorte gelten Ost- und Westfenster. Sie sind hell und bieten Licht, ohne das Grün der heißen Mittagshitze auszusetzen. Halbschattengewächse fühlen sich am ehesten in Nordost- und Nordwestfenstern wohl.

Allgemein gilt: Je mehr lebende Pflanzen, je größer deren Blätter sind und je öfter gelüftet wird, desto geringer ist die allgemeine Schadstoffbelastung.



erschienen in Garten 01/03