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Von Antje Mayer.

Am Arsch der Welt?

Linz macht sich als Kulturhauptstadt2009 bereit

Linz sei der „Arsch der Welt“, schrieb letztens der Spiegel-Redakteur Wolfgang Höbel: „Chemie, Langeweile, Drogen“. Die oberösterreichische Hauptstadt, so der Autor, sei eine Ghetto-Stadt, „das Härteste, was Österreich zu bieten hat." Sieben Tage nachdem der Artikel in Der Spiegel erschien, am 14. November 2005, wurde Linz zur Kulturhauptstadt 2009 ernannt. Genugtuung für die verärgerten Stadtväter und Belehrung für einen offensichtlich nicht allzu guten Österreichkenner. Eine Frage des Blickwinkels zudem. Das „Härteste“, was Österreich derzeit an Kulturkonservativismus zu bieten hat, ist Salzburg. Siehe die Aufregung um das dortige Kontracom06 Festival (bis 16. Juli 2006), das Max Hollein und Thomas Zierhofer-Kin kuratieren. Ein umgedrehter Hubschrauber von Paola Pivi sorgte für einen Sturm der Entrüstung und muss von Sicherheitsmänner wegen drohendem Vandalismus bewacht werden. Oder die Aufregung um das Kreuzigungsbild mit nackter Frau der polnische Künstlerin Dorota Nieznalska. Deren Performance "ER-Lösung?" -heuer zu Ostern in der ARGE Kultur Salzburg- musste abgeblasen werden, weil sich die Beteiligten vor körperlichen Angriffen nicht sicher sah.
In Linz wäre so etwas kaum denkbar. Es ist im Vergleich zu so manchen konservativen Provinzörtchen gerade einer der Städte, die zwar nicht so sehr durch Sehenswürdigkeiten punkten können, sich aber in den vergangenen Jahren gehörig gemausert haben, gerade weil sich dort kein Kultur-Establishment wie in Salzburg ausbilden konnte.
Man denke an starke Institutionen wie die „ars electronica“, die nicht nur internationales Publikum anzieht, sondern vor allem auch junges, an das neue Lentos Museum, dem Stella Rollig momentan redlich das Zeitgenössischen einzuimpfen versucht, an das groß angelegte „Festival der Regionen“ oder das „Brucknerfest“. Der Basler Martin Heller, Intendant von Linz2009, erinnert daran, dass vor 25 Jahren immerhin noch Ruß über der Industriestadt Linz herabschneite.
In Linz beginnt’s. Die Erweiterung des Ars eletronica Centers wird gerade vom Wiener Architekten Andreas Treusch geplant, ein neues Musiktheater wird im zweiten Anlauf nun der britische Architekt Terry Pawson hinstellen. Auch das Schloss soll erweitert und die Pöstlingsbahn neu designt werden. Ein Planetarium steht auch auf der Agenda, aber fertig werden dürfte wohl bis 2009 kaum etwas von dem allen. Außer der Hauptbahnhof, der ist momentan noch im Bau. Egal, findet Intendant Martin Heller. Man wolle keinesfalls den Fehler der Kulturhauptstadt Graz (2003) wiederholen und alles Geld in einem Jahr verpulvern, sondern setze auf Nachhaltigkeit.
So soll Jürgen Lockingers und Jörg Neumayrs umgebautes Lastenschiff „Subdanubia“ (eines der wenigen schon feststehenden kleineren Projekten) vor dem Lentos Museum auch noch nach 2009 angelegt bleiben. Es wird auf dem Boot ein Swimmingpool geben und Raum für Installationen, Performances und Ausstellungen. Und sage noch einmal einer, das alles sei nur Kultur-Lifestyle: In der Türmerstube des Doms wird ein Eremit das Kulturhauptstadtjahr 2009 aussitzen. Der spirituellen Inspiration der Linzer wegen.



Artikel erschienen in der Kunstzeitung Nr. 7/2006
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