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Andy Wahrhol hatte gewisse Anforderungen an seine Traumstadt, die nicht so leicht zu erfüllen waren: “My ideal city would be one long Main Street with no cross streets or side streets to jam up traffic.» Auch wenn das Örtchen Medzilaborce im Nordosten der Slowakei, die eine oder andere Querstraße ihr eigen nennt, so hätte sich die Popikone, wäre er je dort gewesen, doch dort pudelwohl gefühlt. Das finden jedenfalls auch die geschäftstüchtigen Stadtväter des 6.500 Seelen-Städtchen und haben nun bei der Europäischen Union 705.000 Euro beantragt, um Medzilaborce zur Wahrhol-Stadt aufzumotzen und zugesagt bekommen. Von Antje Mayer.

Das ostslowakische Medzilaborce wird Wahrhol Stadt

Medzilaborce will mit dem Geld seine Bürgersteige erneuern und Straßenbeleuchtung im Stile der Pop-Art anbringen. Ob man seine Briefe dort fürderhin in Brillo-Boxen statt Postkästen werfen darf und sein Bier aus Campelldosen schlürft? Jedenfalls ist auch ein "Warhol-Dorf" geplant und ein Open-Air-Museum, in dem Warhols Elternhaus nachgebaut werden soll, das übrigens gar nicht in Medzilaborce, sondern in dem kleinen 15 Kilometer entfernten Dörfchen Mikova stand. Deren Bewohner sind nun sauer, dass man ihnen ihren berühmten Sohn einfach „gestohlen“ hat.

Aber eigentlich haben auch sie keine Anrecht auf ihren „Andrejko“ Warhola (1928-1987). Der ist nämlich im us-amerikanischen Pittsburgh geboren, wohin seine Eltern vor seiner Geburt emigriert waren und hat das Land seiner Eltern nie besucht. Aber das ist eine kleine Fußnote, die weder die Stadtväter von Medzilaborce, noch die EU, noch die fast 15.000 Touristen jährlich stören. Immerhin kann man in dem dortigen Museum, dessen Eingang von zwei großen Campell-Tomatensuppen-Dosen in Beton flankiert wird, neben 42 eher zweitklassischen Originalwerken (ausgerechnet „Hammer und Sichel“ und der „Rote Lenin“), Andy Wahrhols Taufkleidchen bewundern, seine legendäre Brille und ein paar vergilbte Fotos aus dem Familienalbum, die der Künstler in seinem Testament ausdrücklich an das Museum vermachte. Vis-a-vis befindet sich die Pension „Andy“. Und wenn man in der Dorfkneipe sein Bier trinkt, könnte es durchaus passieren, einen entfernten Vetter oder Cousin der Popikone zu treffen. Immerhin jeder Dritte, so sagt man, soll in der Gegend Varchola, so der eigentliche Name der Familie, heißen.

Auch wenn Andy Wahrhol nie in der Heimat seiner Eltern war, so hielt er doch die Familiengeschichte, auch in seiner Kunst, immer in Erinnerung. In einem seiner sogenannten „Time Capsules“, Kartons mit Sammelgegenständen, der TC-27 etwa, hat der Exzentriker Dinge seiner Mutter Julia Warhola (1892–1972) aufbewahrt, die 1952 zu ihm nach New York gezogen war und bis 1971 bei ihm wohnte. Sie enthält einige von ihren persönlichen Kleidungsstücken wie Blusen, Kittelschürzen, Hüte, sowie Korrespondenz mit ihrer Familie, teilweise in karpato-russischer Sprache, die Wahrhol übrigens nicht verstand haben soll, so wenig wie seine Mutter des Englischen wirklich mächtig war: „My mother would read me in her thick Czechoslovakian accent as best as she could and I would always say 'Thanks, Mum’, after she finished with Dick Tracy, even if I hadn't understood a word.»



erschienen in Kunstzeitung, Mai 05