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Erwin Wurm war so empört, dass er Bildungsministerin Elisabeth Gehrer kurzerhand „in die Suppe spuckte“, also aus Protest ihr symbolisch eines seiner „One-Minute-Sculpture-Foto“ mit dem Titel "spit in someone's soup“ präsentierte. Dies tat der international bekannte österreichische Künstler und Professor an der Universität für angewandte Kunst Wien selbstvertretend für Künstler-Kollegen, Museumsdirektoren, Kunst- und Werkerzieher und Galeristen in Österreich, die allesamt genauso stinksauer auf Gehrers Sparmaßnahmen sind. Stein des Anstoßes: Neben anderen Stunden auch, wurden die des Kunstunterrichts an den Allgemein Höheren Schulen ab diesem Herbstsemester von der 6. Klasse an auf 50 Minuten pro Woche halbiert. Von Antje Mayer.

In die Suppe spucken

Protestwelle wegen Kürzung des Kunstunterrichts in Österreich

Das mache die Suppe in der künstlerischen Ausbildung nun wirklich nicht mehr fett, kochen Erwin Wurm und seine Mitstreiter. Die geplante Kürzung sei „blanker Zynismus, widersinnig, Ausdruck der Geistlosigkeit“: „Noch weniger Kunstinteressierte“, so echauffiert sich Wurm, „führten langfristig zu weniger Ausstellungsbesuchern - mit dem Effekt, dass die Regierung leichtes Spiel hat, die Subventionen für die Häuser zu kürzen.“

Wenn die Kulturnation Österreich ihren Kids nicht einmal eine ganze Stunde pro Woche für die Kunst zugestehe, dann reduziere sie sich damit selbst auf eine „Lippizaner-Kultur des schönen Scheins“, entrüstet sich auch Edelbert Köb, Direktor des Wiener Museum Moderner Kunst.
Eine knappe Stunde für Kunst sei „zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel“, stimmt Marlies Haas vom österreichischen Kunst- und Werkerzieherverband in den Chor ein. „Mit den Schülern in ein Museum zu gehen, ist in dieser Zeitspanne so gut wie nicht mehr möglich.“ Der Kunstunterricht erfreue sich an den Schulen, so Haas, ohnehin keiner besonders starken Lobby im Vergleich zu anderen Disziplinen, besonders den naturwissenschaftlichen.

Darin liege gerade das Problem, so Gerald Bast, Direktor der Universität für angewandte Kunst in Wien. Das Schulsystem basiere auf Wettbewerb der Disziplinen, anstatt auf deren Interdisziplinarität. Bast vermutet, dass die „Kunstfeindlichkeit der Österreicher besonders im zeitgenössischem Bereich“ schon in deren unzureichenden Ausbildung wurzele. Das Polizeiaufgebot kürzlich bei der Eröffnung der Hermann Nitsch-Ausstellung in der Sammlung Essl oder der Ablehnung des Ausstellungsplakates durch die Wiener Linien sprächen für sich. Dass zeitgenössische Kunst im Unterricht so gut wie nicht behandelt würde, hätte seinen Grund, erklärt die Lehrerin Marlies Haas. „Unser Schwerpunkt liegt auf der Kunst im zwanzigsten Jahrhundert, denn die Contemporary art ändert sich zu schnell und muss sich oft erst bewähren.“

Die Wiener Galeristin Christina König würde den Lehrern hingegen anraten, sich im Bereich zeitgenössischer Kunst engagierter weiterzubilden. König zweifelt ohnehin daran, ob die Liebe zu Kunst durch Lehrpersonal anerziehbar sei, wenn zuhause durch die Eltern nicht ein gewisser Background mitgeliefert werde. Verständnis für die Kunst nur bei entsprechender Herkunft?

Und was sagen die, um deren Bildung es eigentlich geht: die Schüler? Die handeln nach dem Lustprinzip, das dem Willen bekanntlich Flügel wachsen lässt. „BE (Bildnerische Erziehung, Anm. d. Red.) ist super, zum Relaxen. Ich würde gerne öfter ins Museum gehen“, verrät die Wiener Gymnasiastin Anette W., (14 Jahre). „Aber der Eintritt ist auch ermäßigt voll teuer. Der kostet fast soviel wie Kinokarten“. Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Bildung kommt ja auch von Bildschirm, hat der Kabarettist Dieter Hildebrandt einmal festgestellt, nicht von Buch, sonst hieße es ja Buchung.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.88/Dez.03,S.3