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Nach einem Fotomuseum haben viele in Wien schon lange gejammert. Der Wiener Kamerasammler und Fotograf Peter Coeln wollte nicht mehr länger warten, hat mit ein paar Mitstreitern kräftig in die Hände gespuckt und im diesjährigen Juni die private Fotogalerie WestLicht, im westlich gelegenem siebten Wiener Bezirk, in der Westbahnstraße 40, eröffnet.
Weniger das Kunstprodukt Foto jedoch zoomt Coeln auf den fesch gestylten 1000m², vom Wiener Architektenduo Eichinger oder Knechtl, ins Zentrum seines Interesses, sondern vielmehr das Ding zum Zweck: die Kamera.
Von Antje Mayer.

Die Leidenschaft des Spechtelns

WestLicht: Neue Fotogalerie in Wien

Über 500 von ihnen, darunter Sammlerstücke von enormem Wert, hat der rührige Sammler über viele Jahre hinweg zusammengetragen. Was sich dort an Kleinodien neben einer Bar, einer gemütlichen Sitzlandschaft und dem Bibliotheksareal (mit einem respektablen Angebot an Fachliteratur) in den Vitrinen stapelt, läßt Fotofreaks das Herz wahrlich höher schlagen.

Besonders vor einem weitgereisten Starstück der Galerie drücken, sich die Besucher die Nase platt: der Mond-Hassleblad, die bei der ersten Apollo-Landung auf dem kalten Himmelskörper, den blauen Heimatplaneten Erde festgehalten haben soll. Die NASA hatte 30 solcher Trümmer mit an Bord, die Hälfte ließ man auf dem Mond zurück. Sie wären nur schwerer Ballast beim Rückflug gewesen.

Für irdische Gelüste der voyeuristischen Art, hatte man schon früh, 1906 um genau zu sein, viel leichteres und kleineres Geschütz zur Verfügung, etwa in Form eines Miniaturobjektivs auf einem Spazierstock. Raffiniert getarnt durch einen Schmuckstein, konnte man damit so manche leichte Beute abschießen. Das schwache Geschlecht, dem solche Angriffe gegolten haben sollen, war nicht minder dezent für das Spechteln ausgerüstet: Im Besitz einer KGB-Agentin soll das Operntäschchen, samt eingebautem Kleinstfotoapparat, gewesen sein. Sehr diskret das Teil, aber nichts gegen die zwei Quadratmillimeter großen Kameras in Kugelschreibern, Ringen oder gar unter Briefmarken. Sehr lustig auch die Stehlampe, die beim Anknipsen ein Foto schießt. James Bond läßt grüßen. Selbst vor Tierischem schreckte man nicht zurück: Im Halsgefieder einer Taube, wie an einem ausgestopften Exemplar zu bewundern ist, brachte man im ersten Weltkrieg Panoramakameras an, die diese über die Frontlinien zu fliegen hatten.

Spionieren der populäreren Art, betrieb in den Fünfzigern Tazio Secchiaroli, der erste Paparazzo der Welt. Dessen kleine, leichte Leica, mit der der Profivoyeur so mancher Glamourdiva unter den Rock oder in den Ausschnitt schaute, liegt hier zu bewundern; auch die Leica mit der Franz Hubmann, George Rodgers und Robert Cappa die berühmte Fotoagentur Magnum gründeten.

Von den Kunstwerken, die solche Gustostückerln hervorgebracht haben, seien sie journalistischer, künstlerischer oder historischer Natur, hat WestLicht im Archiv übrigens über 1.500 Stück. Bis 15. November zeigt die Galerie derzeit eine Überblicksschau zu drei Teilbereichen aus der überquellenden Schatzkiste: Arbeiten aus dem Atelier Manassé. Dieses Wiener Studio war in den Zwanzigern in Wien führend auf dem Gebiet der Glamour-, Akt- und Porträtfotografie für Privatpersonen und Magazine. Im zweiten Teil der Ausstellung werden kolorierte Fotoarbeiten präsentiert, die das Leben in Japan gegen Ende des 19. Jahrhunderts dokumentieren. Und im dritten Teil sieht man journalistische Bilddokumente aus den Zwanzigern und Dreißigern von führenden Agenturen wie Keystone, deren Stil Fotoreporter, wie Ernst Salomon, Felix H. Man, Alfred Eisenstadt und Lothar Rübelt prägten.



erschienen in Kunstzeitung Nr.62/Okt.01,S.15
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