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Annähernd 300 Jahre hat die betagte Tante „Dorotheum“ schon auf ihrem Buckel. Derweil der Jahresumsatz aus Auktionen –mit über -für österreichische Verhältnisse rekord-verdächtigen- 133 Millionen Mark brutto-, macht die Dame so sexy wie nie. Und so standen auch die Verehrer Schlange beim heurigen Brautwerben um das agile „Pfandl“, wie die Wiener ihr traditionsreiches Aktionshaus liebevoll nennen. Von Antje Mayer.

Tante Dorotheum wird privat

Im September hat sich die Alte nun, nach langem Zaudern, für den potentesten Galan entschieden. Das erfolgreiche Internetaktionshaus OneTwoSold bot eine Mitgift von mehr als einen Jahresbruttoumsatz aus Auktionen (circa 150 Millionen Mark s.o.) und wird damit nun mit ihr den Weg in die Privatisierung gehen, auf daß der Tod oder der Konkurs sie scheide.

Vom letzteren ist das Haus gleichwohl weit entfernt, im Gegenteil: Neben den beiden Branchenriesen Christies und Sotheby’s, die Dreiviertel der weltweiten Aktionsumsätze für sich beanspruchen, schlägt sich das Dorotheum mit nahezu 650 Versteigerungen pro Jahr und über 500 Mitarbeitern an sechster Stelle weltweit ziemlich tapfer. Und die neue Liaison stimmt optimistisch, könnte doch die Kombi-nation „New-“ trifft „Old Economy“ so fruchtbringend werden, daß gar ein Börsengang in zwei Jahren in Aussicht stehen könnte.

Die rüstige Dame Dorotheum unter die Haube zu bekommen, ließ sich indes anfangs gar nicht so leicht an (KUZ 2000/6: Seite 24), galt es doch erst ein dunkles Kapitel aus deren grauen Vorzeit zu klären. Von 1938 bis 1945 hatte die Gute, von den Nazis geraubte, Vermögensgegenstände versteigert. US-Verhandler gaben aber nun im diesjährigen März, zusammen mit ihren österreichischen Kollegen, eine Rechtsicherheits-erklärung ab. Sie soll festlegen, daß in Zukunft keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Ein Haken hat der Kontrakt: Kunstwerke sind dabei ausgenommen. Ein paar Klagen werden wohl in Zukunft noch auf das Auktionshaus zukommen. Eine eindeutige Regelung würde es dafür nie geben, beurteilen Branchekenner die Sachlage.

Das kratzt Madame Dorotheum zwar bestenfalls moralisch, finanziell indes wenig: Lukrativer als das Auktionsgeschäft seien, so wird verlautet, ohnehin der Schmuckhandel und eine eher weniger kunstsinnige Sparte, mit der sich das einst-ige „Versatz- und Fragmentamt zu Wien“ schon vor 300 Jahren eine goldene Nase verdiente: der Kleinkredit gegen Pfand.



erschienen in Kunstzeitung Nr.63/Nov.01,S.24
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