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Shirin Neshat (Jahrgang 1957) ist Iranerin und lebt in New York. In ihrem Vaterland, in dem Frauen selbst das Fahrradfahren verboten ist, könnte sie ihren Beruf als Künstlerin nie ausüben. Im Museumsquartier wird jetzt erstmals in Österreich ein Überblick über das Werk der Viennale-Teilnehmerin (1995) zu sehen sein: die Video-Triologie "Fervor", Filmstills daraus und die Fotoserie "Women of Allah". Von Antje Mayer.

Die Frauen Allahs

Shirin Neshat in der Kunsthalle

Verlassen hatte Shirin Neshat die Heimat im Alter von 16 Jahren für ihr Kunststudium in den USA. Erst 1990 betrat sie wieder islamischen Boden. Sie fand ein völlig verändertes Land vor, eine Regierung zwischen Gottesstaat und konstitutioneller Demokratie, die Oppositionelle exekutierte und Frauen unter ein bigottes Reglement zwang. Die Kluft zwischen ihrem Herkunftsland und der Welt, in der sie inzwischen lebte, waren ein Schock. Ihre kulturelle Identität, ihre Religion, ihr Geschlecht wurden für Neshat ab diesem Zeitpunkt unvermeidbar Thema ihrer künstlerischen Auseinandersetzung.

Ein weiblicher Salman Rushdie wollte Neshat nie sein. Provokante, islamkritische Parolen sind ihre Sachen nicht. "Meine Arbeit ist bewußt zweideutig, damit fühle ich mich wohl", meint Shirin Neshat. Im Iran hat sie ihre Kunstwerke noch nie zeigen können, die Künstlerin findet das weiter nicht schlimm. Die Tendenz der westlichen Welt, ihre Kunst in das ethno-feministische Eck zu drängen, wurmt sie vielmehr. In ihren Fotografien und Videoarbeiten setzt die Iranerin daher schablonenhaft provokant westliche Klischeevorstellung vom Islam ein: Frauen im schwarzen Tschador, Pistolen, Hände, Augen. Neshats Markenzeichen: persische, unlesbare Schriftzeichen, die sie wie Tätowierungen, Muster auf die Haut der Abgebildeten ritzt.

In ihrem bekanntesten Video „Turbulent“ (1998) gibt ein Mann, vor ausschließlich männlichem Publikum, ein klassisches Liebeslied des persischen Dichters Rumi zum Besten. Eine andere Sequenz: eine verschleierte Frau singt auf der gleichen Bühne. Diesmal sind die Ränge vor ihr leer. Mit Schnitten, computergesteuerten Stimmenüberlagerungen und Verzerrungen durchflechtet sie die traditionelle Art der Darstellung mit entfremdenden, modernen Technologien. Eine einfache, fast zynisch einfache, Ikonographie, mit der Neshat den Dialog der Kulturen eröffnet. Denen er in Österreich wohltäte, werden wohl nicht im Wiener Museumsquartier vorbeischauen.



erschienen in Kunstzeitung Nr.44/April 00
> Kunsthalle Wien