Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Die slowakische Künstlerin Lucia Nimcová verbrachte drei Monate in Wien und beweist mit ihrer Fotoserie „Grüß Gott“, dass auch Altbekanntes den Reiz des Neuentdeckten in sich birgt. Vorausgesetzt, die Nacht währt lange genug... Von Birgit Ziegler.

Grüß Gott, küss die Hand

Fotografische Einblicke in ein nächtliches Wien

Eigentlich fühlt sie sich als Touristin – eine, die zwar genug Zeit hat, eine neue Stadt zu entdecken, aber eben doch als Touristin. Fremde Sprache, fremde Stadt, das kennt man ja.
Die Überlegungen zu Beginn ihres Wien-Aufenthaltes waren für Lucia Nimcová klar und einfach: „Wo kann ich ungestört am Alltagleben teilnehmen?“ Das ist nicht einfach ohne die Menschen näher zu kennen. Sie will den Fokus auf ein Thema richten, auf ein wiederkehrendes Motiv, um sich nicht zu verlieren und um den Dingen näher zu kommen. Es ist Anfang des Jahres, sie ist in Wien angekommen, sie schnappt die Kamera und besucht: unzählige Wiener Bälle.

Lucia Nimcová, geboren 1977 in Humenné in der Ostslowakei, sitzt mir mit bauchfreiem, rotem Pulli und kakigrüner Hose im Büro von Kulturkontakt Austria in Wien gegenüber. Die Fotografin, die an der Silesian Universität in Opava, Tschechien, studiert hat, wurde 2004 mit dem „Fujifilm Euro Press Photo Award“ und zwei Jahre zuvor mit dem „who is who“-Preis ausgezeichnet. Nun hat sie auch noch ein Stipendium für Wien. Kulturkontakt Austria, ein Verein zur Kulturförderung und Bildungskooperation, bietet jungen Künstlern aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa die Möglichkeit, in einem seiner Wiener Gastateliers drei Monate lang zu arbeiten. 900 Euro monatlich neben Unterkunft, Versicherung und einer Werkpräsentation am Ende des Aufenthaltes sollen es den Künstlern zudem ermöglichen, Kontakte zur Wiener Kunstszene zu knüpfen.

„Auf Bällen ist es einfach, Fotos zu schießen“ meint die nach der Motivation ihrer Themenwahl gefragte Künstlerin, „weil die Menschen sich ungeniert fühlen und eh gerade dabei sind, sich der Welt zu präsentieren“.
Nimcová wirkt sehr direkt und greifbar, zudem wie jemand die man eher auf einer Rave-Party als auf einem Ball erwarten würde und der man sofort ansieht, dass sie nie ohne Kamera aus dem Haus geht. Typ: bodenständige Dokumentarfotografin mit klarem Blick für wesentliche Bildausschnitte.
Im Zentrum von Nimcovás Arbeit steht immer der Mensch, vor allem aber die Welt der Frauen. Ihre Fotografien zeigen die Besonderheiten und Eigenarten, die Probleme, Vorlieben, Interessen und Beziehungen von alltäglichen und durchschnittlichen Menschen.

Ball der Psychoanalyse, Ball der Frauen, Ball der Feuerwehrmänner, Gay Ball, Margaretener Seniorenball. „Selbst Fotografinnen kommen zu diesen Anlässen im Ballkleid“ meint sie erstaunt. Doch zum Glück hat man ihr auch in Jeans den Eintritt nicht verweigert und so entstehen Nacht für Nacht Impressionen einer seltsam unbekannten Stadt. Sie lernt eine Art High Society kennen, die ihr völlig fremd ist und die es so in der Slowakei nicht gibt.

Auf der Spur dieser High Society entstehen Fotos, die wie komponiert wirken. Dabei ist aber für die Künstlerin „jedes Foto dokumentarisch“. Nimcová stellt fest: „Die Leute werden spätestens mit fortgeschrittenem Abend normaler, interessanter, mehr sie selbst. Sehnsüchte und Gefühle treten zu Tage und das mit der besseren Gesellschaft ist dann zu späterer Stunde so eine Sache…“. Der Ball der Frauen sei toll gewesen: „Komplett verrückt und völlig verschieden von den anderen Bällen. Die ganze Nacht wurde durchgetanzt und gesungen. Die Frauen haben sich ganz anders benommen als sonst gemeinsam mit den Männern“.
Und gegen Ende ihrer persönlichen Ballsaison habe sie bereits so manches Gesicht wieder erkannt. So beispielsweise einen Feuerwehrmannballbesucher beim Gay Ball.

Lucia Nimcová meint, sie könne eher aufs Essen verzichten als aufs Fotografieren. Man glaubt es ihr sofort. Und es sieht gut aus. Die nächsten Ausstellungen sind bereits gesichert. Für das ab Ende April laufende Projekt „EU& YOU. Kunst der guten Nachbarschaft“ (Kurator: Peter Weibel) stellt Nimcová gemeinsam mit Künstlern aus fünf Ländern in den sieben europäischen Bahnhöfen Bratislava, Brno, Graz, Szombathely, Villach, Ljubljana und Wien aus.

Hier fühlt sie sich jetzt nicht mehr als Touristin sondern „irgendwie anders“. Ihre frühere Bilderserie über Frauen in der Slowakei sieht sie seit ihrem Wien-Aufenthalt mit einem neuen Blick. Was genau sich verändert hat? Sie kann es nicht beschreiben.
„Ich mache eben Bilder“ meint sie – und lacht.



> homepage Lucia Nimcová