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"Ich habe das Haus letztes Jahr ja praktisch schon geführt", so Ingried Brugger (40), seit heurigen Juli Direktorin des Kunstforums in Wien. Von Antje Mayer.

Bacon lockt

Wien: Neue Kunstforum-Chefin Ingried Brugger

Immerhin ein drei Viertel Jahr nahm sich Gerhard Randa, Direktor der Bank Austria und Hauptsponsor, für die Entscheidung Zeit. Bruggers "Noch-Ehemann" und ehemaliger Kunstforum-Chef Klaus Albrecht Schröder, der nur ein paar Gehminuten entfernt die marode Albertina auf Vordermann bringt, sollte, so war eigentlich der Plan, beide Häuser führen. Kulturministerin Elisabeth Gehrer machte diesem Vorhaben ein Strich durch die Rechnung und damit den Weg frei für die erste weibliche Leiterin eines Wiener Museums solcher Größe und Bedeutung. "Ich bin froh, daß man sich Zeit gelassen hat", erklärt Ingried Brugger. "Jetzt sitze ich doch noch fester im Sattel."

Die Schröder-Nachfolgerin kennt das Haus, deren Erfolgsgeschichte sie seit 1988 als Kuratorin und seit 1993 als stellvertretende Direktorin, mitgeschrieben hat, wie kaum eine: Kunst und Wahn (1997), Rot in der russischen Kunst (1998), Jahrhundert der Frauen (1999), sind nur ein paar ihrer wichtigsten Erfolgsausstellungen dort. Als "Kunsthistorikerin aus Leidenschaft" bezeichnet sie sich: In Wien und Berlin studierte sie Kunstgeschichte, Architektur und Germanistik und dissertierte über Venezianismen nördlich der Alpen. 1984 gründete und leitete sie in der Donaumetropole zwei Jahre die Galerie Orbis Parvus. Ab dann war sie nur noch für das Kunstforum da.

Nach der diesjährigen Erfolgsausstellung "Cézanne", mit fast 300.000 Besuchern, liegt die Meßlatte für die neue Direktorin hoch. "Ganz klar, ich muß unternehmerisch denken", gibt Ingried Brugger zu. "Elitäre Konzepte sind bei uns am Haus einfach nicht drin. Gerade angesichts der zukünftigen Albertina- und Museumsquartier-Konkurrenz setzten wir auf Publikums-Magneten. Ich verharre nicht in einem Elfenbeinturm, ich will eine Kunstvermittlung für alle."

Ein Ausstellungs-Renner mit geschätzten 200.000 Besuchern, hofft Brugger, wird auch die Picasso-Schau, die am 7. September (bis 7. Januar 2001) eröffnet. Gezeigt werden vor allem Figurenbilder und Porträts des Malers nach 1930, Ölbilder, Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen. Über 100 Werke aus der Sammlung seines Enkels, Bernhard Picasso, die in dieser Geschlossenheit der Öffentlichkeit noch nie gezeigt wurden. Bis Anfang 2002 sind von Brugger (und Schröder) die Ausstellungen schon festgelegt. Die Highlights: Frühjahr 2001 "Joan Míro", Herbst 2001 "Kasimir Malewitsch", Frühjahr 2002 "Emil Nolde und die Südsee". Und danach? Für den großen Francis-Bacon-Fan Ingried Brugger wäre eine Personalie über den Künstler die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Aber: "Über das Programm nach Frühjahr 2002 kann ich derzeit noch nichts verraten", so die Kunstforum-Chefin. "Nur soviel: mein Schwerpunkt ist sicher mehr die zeitgenössische Kunst. Ich denke, das österreichische Publikum ist reif dafür."



erschienen in Kunstzeitung Nr.49/Sept.00
> Kunstforum Wien