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Von Antje Mayer.

Monster, Mythen, Mutationen

HR Giger im KunstHaus Wien

Der Künstler HR Giger träumt nicht von dem, das er so surreal wie verstörend realistisch malt, zeichnet und skulpturiert: apokalyptische Monsterattacken, erotomanischer Alienhorror oder ekelig verkabelte Biomechanoiden, Menschmaschinen:„Meine Traumwelt ist sehr realistisch. Es gibt dort viel bergigen Wald, es ist dort ziemlich warm, es gibt einstöckige Häuser… Ich bin meistens allein und ziemlich komisch“, so HR Giger. Der träumt allem Anschein nach von seiner Heimat Chur, wo er 1940 geboren ist oder von Graubünden, wo er lebt und arbeitet. Außenstehenden verraten bestenfalls die geheimnisvollen Initialen HR, die für den bodenständigen Vornamen „Hansrüdi“ stehen, dass Giger ein Schweizer Künstler ist.
Der wohl weltweit berühmteste und auch seltsamste. Gigers Kunst, die sich zwischen Fantasy und Surrealismus bewegt, scheidet die Geister. Einen massentauglichen Kitschier schimpfen ihn die einen, einen genialen Maler, Grafiker und Skulpteur im Stile Hieronymos Boschs und Goyas loben ihn die anderen. Letzteres dürfte mehr der Wahrheit entsprechen, ist es doch bei Giger nicht so, dass er sich der Populärkunst bedient hätte, sondern jene sich seiner Kunst. Einfacher formuliert: Zuerst war HR, dann kam das Biker-Tattoo.
So finden denn auch seit neuesten weniger kunstsinnige Besucher mit solcherart Armverzierung -und dem entsprechenden schweren airgebrushten Zweirad vor der Tür- den Weg ins KunstHaus Wien. Dort ist nämlich noch bis zum 1. Oktober die düstere Ausstellung „Giger in Wien“ zu sehen. Hundert Werke, die der Zürcher Gastkurator Stephan Stucki zusammengestellt hat, darunter Zeichnungen, Fotomontagen, Fotos und Plastiken. Auch die legendären Harkonnen Möbel-Skulpturen im Totenkopf-Knochen-Outfit, die Giger ursprünglich für den Film „Dune“ entworfen hatte, sind aufgestellt.
Besonders beeindruckend: die „Passagen“, verrostete Öffnungsklappen, die der Künstler Anfang der siebziger Jahre der deutschen Müllabfuhr abschaute. „Ich war so fasziniert von diesem mechanisch-erotischen Akt, der die ‚Endlösung“ der überfüllten Kübel einleitete.“ An Richard Serra, Bruno Gironcoli und Joseph Beuys erinnern diese schaurig-schönen „Rostvagina“, die zudem vergessen geglaubte Kindheitsängste zu evozieren vermögen.
Dass die Mythen-Monster-Mutationen-Show in der österreichischen Hauptstadt gezeigt wird, ist übrigens durchaus logisch, bezieht sich doch HR Giger neben Salvador Dalí explizit auf die Phantastischen Realisten der Wiener Schule, wie Ernst Fuchs, im weitesten Sinne auch auf Franz Ringel, Arnulf Rainer oder Günter Brus. Deren Werke versammelt der Schweizer Künstler -neben seiner eigenen Kunst- in seinem „Museum HR Giger“ im Schloss St. Germain im Freiburgschen Gruyères.
Das Beste von Beste von Giger ist nicht in Wien zu sehen, aber die Ausstellung zeigt trotzdem gut, dass der Schweizer Künstler weit davon entfernt ist, lediglich ein guter Comiczeichner oder Motorrad- und Bikerarm-Verzierer zu sein. Seine Ausstattungen von Filmen wie „Alien“ (für die er 1980 einen Oskar bekam) sind viel mehr als nur Hintergrund für Hollywood. Sie berühren, weil sie von Urängsten erzählen und Urerfahrung, sie konfrontieren uns mit sexuellen Ängsten und Phantasien, sie wissen um die Nähe von Schönheit und Schrecken und sie besitzen etwas, was bizarrerweise alles erst so richtig schön gruselig macht: Humor.



Artikel erschienen in Kunstzeitung Nr. 6/2006
> Link:Kunstzeitung > Link:HR Giger Museum- > Link:Wikipedia/Slavador Dali- > Link:Galerie Ernst Fuchs- > Link:Sammlung Essl/Franz Ringel- > Link:Sammlung Essl/Arnulf Rainer- > Link:Wikipedia/Günter Brus- > Link:Wikipedia/Richard Serra- > Link:Gironcoli Museum- > Link:Wikipedia/Joseph Beuys- > Link:Kunsthaus Wien/ Giger in Wien-