Von Edelbert Köb.
Von Edelbert Köb.
Über die Ausstellung „Kontakt ... aus der Sammlung der Erste Bank Gruppe“ im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien und in den tranzit workshops Bratislava.
Die ökonomische Expansion nach Zentral- und Südosteuropa und der Aufbau einer neuen Kunstsammlung gehen bei der Erste Bank-Gruppe Hand in Hand. Der neue wirtschaftliche Aktionsradius bestimmt zugleich auch jenes Terrain, auf das sich die neue Sammlung bezieht. In Zeiten, in denen bei zunehmender Internationalisierung und Globalisierung, auch des Kunstbetriebs, die öffentlichen und privaten Sammlungen immer ähnlicher werden, verstärkt sich zugleich der Druck, jeweils eigene und unverkennbare Sammlungsprofile zu entwickeln. Daher ist diese Entscheidung für die Kunst des vormaligen Osteuropa auch unter kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten klug und weitsichtig zu nennen. Es wird klar, dass dies nicht nur eine schnelle strategische Entscheidung ist, sondern eine konsequente Vertiefung und Erweiterung schon bisher geleisteter seriöser Arbeit, wenn man an das bisherige Engagement der Erste Bank-Gruppe in diesen Ländern – etwa im Zuge der tranzit-Projekte – denkt. Mit der Unterstützung vielfältiger künstlerischer Aktivitäten mit Ost-West-Bezügen und insbesondere nun mit der neuen Sammlung signalisiert die Erste Bank die nachhaltige Absicht, die neueste Kunstgeschichte dieser Länder nicht nur aufzuarbeiten und nach systematischen Gesichtspunkten zu sammeln, sondern sie auch in Form eines lebendigen Dialogs zu fördern und zu vermitteln. Dies bedeutet auch, diese Kunst, wo das noch nicht geschehen ist, in das bisherige Geschichtsbild zu integrieren, oder genauer: dieses bestehende Geschichtsbild zu korrigieren und zu differenzieren. Wenn man in diesem Zusammenhang vom ehemaligen Osteuropa spricht, müsste man konsequenterweise auch vom ehemaligen Westeuropa sprechen, weil mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Auflösung des Ostblocks sich auch die Strukturen und Aufgaben Westeuropas anders und neu zeigen.
Nicht das Belehren von anderen, sondern das Lernen von anderen steht ganz offensichtlich hinter der neuen Sammlungspolitik der Erste Bank, wenn man die bisherige Arbeit der Sammlungsverantwortlichen betrachtet. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, gerade jene künstlerischen Tendenzen seit den sechziger Jahren verstärkt zu sammeln und aufzuarbeiten, in denen konzeptuelle, performative und gesellschaftsbezogene Ansätze im Vordergrund stehen, die parallel zur zeitgenössischen, internationalen Entwicklung entstanden sind. Deshalb besteht auch Anlass zur optimistischen Annahme, dass sich diese Sammlung als konstruktive und diskursive Arbeit an der Geschichte und nicht einfach als Ansammlung kunstgeschichtlicher Artefakte profilieren kann. Dazu hat sich die Erste Bank ein professionelles Jury- und Arbeitsteam mit Experten aus den jeweiligen Ländern geschaffen, die im internationalen Ausstellungs- und Kunstbetrieb agieren. Gerade in dieser Professionalisierung und Flexibilisierung liegt auch die Chance, bislang – auch von Museen – vernachlässigte kunstgeschichtliche Bereiche entsprechend zu forcieren und neu zu positionieren, um ein noch immer einseitiges, westlastiges Geschichtsbild der Kunst seit der Moderne zurechtzurücken. Gerade in Bezug auf das Verhältnis zwischen Kunst und gesellschaftlicher Realität (wie etwa Repression und Zensur), die seit den sechziger Jahren allgemein ein zentrales Thema war, vermitteln die im Fokus der Erste Bank-Sammlung stehenden Arbeiten entscheidende, neue Einsichten.
Besonders seit den frühen neunziger Jahren, parallel zur politischen Ostöffnung, hat sich auch das MUMOK, unter seinem damaligen ungarischen Direktor Lóránd Hegyi, verstärkt um die Kunst aus dem zentral- und osteuropäischen Bereich bemüht. Thematische Ausstellungen zur abstrakten Kunst seit den fünfziger Jahren („Reduktivismus“) sowie Überblicksausstellungen zur neueren Kunstgeschichte dieser Länder („Aspekte – Positionen“) haben neben und mit der Präsentation zahlreicher Einzelausstellungen bedeutender Künstlerpersönlichkeiten zumindest aus Osteuropa und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien der österreichischen Öffentlichkeit ein differenzierteres Bild europäischer Kunstgeschichte vermittelt. In diesem Zusammenhang konnten auch wesentliche Arbeiten für die Museumssammlung erworben werden. Dennoch war es im Rahmen des umfassenden Auftrags unseres Museums nicht möglich, wirklich systematisch auch performative, konzeptuelle und medienbezogene Kunst zu zeigen und zu sammeln, die einen entsprechenden Vergleich mit bereits etablierter westlicher Kunstgeschichte beziehungsweise deren entsprechende Ergänzung ermöglicht hätten. Der Umstand, dass gerade diese Positionen von der Sammlung der Erste Bank-Gruppe auf- und ausgebaut werden, kann nur als glückliche Fügung für den Museumsstandort Wien gesehen werden, der ja auch geopolitisch dazu prädestiniert ist, Treff- und Schnittpunkt kultureller Überlegungen zu sein.