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„In den 70er Jahren fuhr Bill Bowerman (der historische Gründer von Nike) einfach zu Sportveranstaltungen und ließ Leute aus dem Kofferraum seines Wagens Schuhe anprobieren. Diese Tage reist die Infobox von Stadt zu Stadt und gibt Plätze bekannt, die ausgesucht wurden, um Nikes Namen zu tragen. Die Infobox ist speziell auffällig, du kannst sie gar nicht verfehlen.“ Von Antje Mayer.

Nikeplatz (formerly Karlsplatz)

Diese Geschichte im nonchalanten Ikea-Du-Jargon findet man auf der Webpage www.nikeground.com und sie ist erstunken und erlogen. Fast. Genauso wie die Internetseite ein Fake ist, also nicht vom Sportschuhkonzern Nike, sondern vom Wiener Institut für Neue Kulturtechnologien Public Netbase und der italienischen Webkünstlergruppe 0100101110101101.org (sprich: „zero one dot org“). Ganz im Sinne von Brecht, so dachten sich die zwei Aktionistengruppen, muss man eben zum Angriff übergehen, wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen.

Aber von ganz vorne. Bis vor gut einer Woche stand tatsächlich eine Infobox neben der Kunsthalle am Karlsplatz. Darauf war in großen Lettern zu lesen „Nikeplatz (formerly Karlplatz)“. Erwartungsgemäß schlugen die Wellen der Entrüstung bei den Wienern hoch. Der Konzern Nike, spätestens seit Naomi Kleins Antiglobalisierungs-Besteller „No logo!“ Metapher für Ausbeutung der Dritte-Welt-Länder sollte den historischen Karlsplatz für seine Marketingzwecke „kaufen“ dürfen? Nein, bei allem Verständnis für den Geldmangel in der Wiener Stadtkasse, das ging eindeutig zu weit. Die Bürgerinitiative „Rettet den Karlsplatz“ ward ins Leben gerufen. Die internationale Presse lief Sturm.

Dass die Werbeaktion nebst der Bürgerinitiative ein „Schwindel von vorne bis hinten“ sei, ließ dann jedoch bald darauf Nike Österreich verkünden. „Gut erfunden“ sei die Sache immerhin kontert Konrad Becker, Leiter von Public Netbase, der sich mit ähnlichen medialen Sabotageakten und bewusstem Streuen von Falschmeldungen in der Vergangenheit einen (berühmt berüchtigten) Namen gemacht hat. Immerhin sei es erwiesen, so Becker, dass man in New York bereits ernsthaft daran denke, Brücken und Plätze nach Unternehmen zu benennen und außerdem habe Nike angeblich in Berlin -in Aussicht auf die Fußballweltmeisterschaften- schon einen Stadtbereich zu einem „Nikepark“ ernannt.

Ob wahr oder nicht, „bei allem Spaß“ kündigte der Sportschuhkonzern an, man werde umgehend rechtliche Schritte gegen Public Netbase und 0100101110101101.org einleiten. Das Markenrecht sei verletzt worden und es handle sich dabei „leider nicht nur um einen Lausbubenstreich.“
78.000 Euro fordert Nike International von den Künstlern, die im Gegenzug auf die „Freiheit der Kunst“ pochen und strategisch gewieft nun von einer „Rauminstallation“, von einem „internationalen Kunstprojekt“ und einer „Intervention im öffentlichen Raum“ sprechen. „Der Betrag ist so gering, dass wir vermuten, dass Nike tatsächlich das Geld will. Das würde uns ruinieren“, befürchtet Konrad Becker. Ein erster Etappensieg wurde nun jedoch bereits errungen. Das Wiener Handelsgericht wies die Klage auf einstweilige Verfügung zurück. Nike International hatte vergessen, die Prozesskostensicherstellung für den Fall eines Richterspruchs zugunsten der Logopiraten zu hinterlegen.

Vermutet darf werden, dass man sich in Folge auf eine Art Vergleich einigen wird, denn Konrad Becker droht bereits selbstbewusst „im Falle des Falles“ mit internationalen Solidaritätsaktionen, die „für den Konzern Nike, der in Wien kürzlich erst einen Flagshop eröffnet hat, einen erheblichen Imageschaden bedeuten könnten.“ Es hätten sogar schon internationale Anwälte bei ihm angefragt, die den Fall übernehmen wollten. Nike gibt sich hingegen kunstbefliessen. Man stehe, so lässt sie PR-Agentur FCB auf Anfrage in Namen des Konzerns verlauten „der Kunst sehr offen gegenüber“.

Übrigens: Wie so oft ist der Lüge die Wahrheit näher, als man glauben wagt. In den USA, so war kürzlich in den Medien zu hören, würden immer mehr Eltern ihre Kinder nach Markennamen taufen. In diesem Sinne wundern Sie sich nicht, wenn Sie demnächst auch bei uns hören: „Ikea, geh auf den Nikeplatz mit deinem Schwesterchen Toyota spielen.“



erschienen im Informationsdienst Nr.288/ Nov.03, S.27ff
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