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Den Artikel, den Sie momentan lesen, ist auf einem Laptop geschrieben. Er wäre sicher anders verfasst, wenn er auf einer Schreibmaschine getippt worden wäre... Von Antje Mayer.

Linz: Die 24. Ars Electronica

Die 24. Ars Electronica in Linz von 6.-11. September

Denn die Software, der Code, der der Autorin beispielsweise ermöglicht, das Wort „ermöglicht“ mit einem Druck auf die Delete-Taste zu entfernen, beeinflusst ihren Sprachstil, ihr Denken, genauso wie ihren Geschäftssinn und Sie, den Leser damit freilich auch.
Denn die Software, der Code, der der Autorin beispielsweise ermöglicht, das Wort „ermöglicht“ mit einem Druck auf die Delete-Taste zu entfernen, beeinflusst ihren Sprachstil, ihr Denken, genauso wie ihren Geschäftssinn und Sie, den Leser damit freilich auch.
Software definiert zunehmend die Spielregeln der Sprache, der Kunst und des Lebens. Dieses neue Gesellschaftsphänomen haben für die diesjährige siebte Ars Electronic die Kuratoren Christine Schöpf und Gerfried Stocker thematisiert und damit den programmatischen Titel des heurigen Linzer Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft ausgerufen: „Code – The Language Of Our Time. Code = Law, Code= Art, Code=Life“ (von 6. bis 11. September 2003).
So dominiert heuer in Linz auch ein historischer Überblick über die Rolle von Computerprogrammen in der Kunst neben zahlreichen Diskussionen und Konferenzen über das Thema „Software als künstlerisches Material“. Mit dabei sind Medienkünstler wie Richard Kriesche (A), der Datenstromvisualisierer Ben Fry (USA) oder Softwarekünstler wie Roman Verostko oder John Maeda (beide USA).
„Für die künstlerische Arbeit“, so die Kuratoren Stocker und Schöpf, „ist Software eine fantastisches Instrument. In der digitalen Simulation sind der Fantasie und dem Schöpfungsdrang keine Grenzen mehr gesetzt.“ Im Ars electronica Center zeigt etwa das interdiziplinäre Projekt DAMPF wie Tanz mit interaktiver Software verschmolzen werden kann.
Computer sind inzwischen frei programmierbar, so kann der Medienkünstler dynamische Systeme erzeugen, die den Betrachter oder User interaktiv miteinbeziehen. Der Künstler produziert zunehmend nicht nur die inhaltliche Ebene, sondern baut sein „Werkzeuge“ selbst, das heißt gestaltet zunehmend Interfaces und entwickelt neue Software. Die Gleichung eines aktuellen Kunsttrends: Code = Art. Zahlreiche Veranstaltungen zu elektronischer Musik heuer zeigen diese Bewegung: wie etwa „# upload 03“ (11.9.), die eine Standortbestimmung der elektronischen Musik „zwischen Musikgeschichte und digitaler Rebellion“ versucht oder „Digital Musics in Concert“ (10.9.) mit Sounds von bekannten Bastlern wie Ami Yoshida (J), Sachiko M. (J) oder Florian Hecker(A).
Mit Software kann man jedoch nicht nur gestalten, sondern auch kontrollieren, manipulieren und Macht ausüben. In der Bioinformatik wird die Beherrschbarkeit und Vorhersehbarkeit des „Codes des Lebens“ (DNA) suggeriert: Code=Life. Der gemeine Computerbenutzer erlebt solche Einschränkung seiner persönlichen Entscheidungsfähigkeit durch den „Code“ inzwischen täglich. Man denke an die von Open Source-Aktivisten kritisierten Microsoft-Einschränkungen: nicht kompatible oder frei zugängliche Programme, eingebaute Kontrollmechanismen in Betriebssystemen, andererseits globale Viren-Knockouts. Entmündigung und Zwang, der dem User keine individuellen Lösungen und Freiheiten mehr erlaubt, seine Arbeitsweise auf den kleinsten rentablen Nenner reduziert und zum Konsum neuer Komponenten in kürzesten Abständen regelrecht zwingt.
Der Code mutiert, ob man will oder nicht, zunehmend zum (Kauf-)Befehl oder zum Gesetz (Code = Law). Ein Thema von gesellschaftspolitischer Brisanz, das in Linz mit Performances, Konferenzen und Ausstellungen diskutiert wird. „Denn was ist,“ wirft der Kurator Gerfried Stocker die Frage in den Ring, „wenn der Code anstelle des Gesetzes tritt. Vor welchem Gericht können wir ihn anfechten? Wo können wir unser Recht einfordern?“ Die Antwort wird offen bleiben.



erschienen in Kunstzeitung Nr.85/Sept.03,S.10
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