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Man wäre gerne zu einem Rioja beim alten Francisco de Goya (1746-1828), daheim eingeladen gewesen. So zwischen 1819 und 1823. In diesen Jahren pinselte der Künstler -vielleicht in schlaflosen Nächten- „Schwarzen Bilder“ an die Wände seines Hauses... Von Antje Mayer.

Goya der Göttliche

Diese verrückten Graffitis müssen unglaublich gespenstisch und düster anzusehen gewesen sein. Depressiv und einsam soll er sich damals gefühlt haben. Man mag’s verstehen: Seit gut zwei Jahrzehnten war er damals schon taub, immer wieder setzte man ihm seitens der Politik wegen seiner kritischen Bilder das Messer an die Brust. Goya war, obwohl Hofmaler bei Karl IV., in der Tiefe seines Herzens eben ein Punk und er war ein Pionier der Kunst und damit als Außenseiter verdammt.
Aber vielleicht hätte er damals doch eine gute Minute gehabt und erklären können, was genau ihn zu seinen irren Motiven getrieben hatte. Genauso wie zu denen einer anderen Serie, die zur gleichen Zeit entstand, wohl eine seiner beeindruckendsten und geheimnisvollsten Zyklen: „Los Disparates“ (Torheiten), auch „Proverbios“ (Sprichwörter) oder „Suenos“ (Träume) genannt.
Diese Reihe dokumentiert eindrucksvoll, warum Goya als „Vater der Modernen Kunst“ gelten darf. Die Gesichter der Menschen, Tiere und Ungeheuer, genauso wie der diffuse Raum, in denen sich alle diese irrwitzigen Figuren hysterisch bewegen, sind so stark verformt und verzogen, dass man von Abstraktion sprechen kann.
Von einer selbstbewussten Verfremdung in der Form der Darstellung, aber auch in der Motivauswahl, die das Selbstverständnis eines neuen Typus von Künstlers dokumentiert; eines Kreativen, der seine Kunst nicht mehr für den Hof oder die Kirche schafft, sondern aus seiner eigenen Motivation heraus, für einen freien Rezepientenmarkt. Wie modern Goya ist! Würde man die „Los Disparates“ heute auf der documenta zeigen, sie wären nicht fehl am Platz.
Werden sie aber nicht, sondern sie sind dafür noch bis 20. September 2004 im Leopoldmuseum in Wien zu sehen, neben drei anderen vollständigen erhaltenen Grafikfolgen des Künstlers. Entliehen wurden sie vom Stadtmuseum Oldenburg. 1908 erwarb der Mäzen Theodor Francksen die insgesamt 228 Blätter.
Zu sehen sind außerdem die „Los Caprichos“, Drucke „launiger Themen“, so Goya, die „Absonderlichkeit und Torheit“ der menschlichen Natur auf die Schippe nehmen. Diese Serie bot der Künstler übrigens 1799 - es lebe die Selbstvermarktung - publikumsnah im Parfum- und Likörladen in Madrid via Zeitungsannonce an. Ähnlich volkstümlich sind die Teile der dritten Serie, der der „La Tauromaquia“, die Szenen von Stierkämpfen zeigt. Goya war ein riesiger Fan dieses „Sports“.
Weniger amüsant geben sich die „Los Desastres de la Guerra“, eine Folge von Radierungen, die eindringlich die grausamen Kämpfe Napoleons von 1808 bis 1813 gegen Spanien dokumentiert. Eine mutige Kriegsreportage: Vierzig Jahre lang musste Goya sie in seinem Haus unter Verschluss halten, um nicht im Kerker zu landen.



Goya in Wien 2005: Von 18.10. 2005 bis 8.1.2006 zeigt das Kunsthistorische Museum eine große Goya-Schau. Davor gibt es von 22.3. bis 28.8. 2005 „Goya bis Picasso. Die Sammlung Krugier“ in der Albertina.
erschienen in Kunstzeitung
> Kunsthistorisches Museum > Albertina-