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Von Antje Mayer.

Art / Brut Center

Weltweit größtes Museum für Art Brut in Gugging eröffnet

Sehr idyllisch war es bis vor kurzem in Maria Gugging im sanft hügeligen Wienerwald, 20 Kilometer nordwestlich von Wien. Damit ist es vorerst vorbei. Denn am 28. Juni 2006 eröffnete dort das weltweit größte Museum für Art Brut ("rohe, unverfälschte Kunst") mit 1.300 Quadratmeter Ausstellungsfläche im neuen „Art / Brut Center“. Das umfasst neben dem Museum, unter anderem ein offenes Atelier zur Förderung des künstlerischen Art Brut- Nachwuchs, eine Verkaufsgalerie, eine kleine Bibliothek, ein Archiv und Lagerräume.
Das „Art / Brut Center“ ist in einem hundert Jahre alten Gebäude untergebracht, das sinnigerweise einst als Abteilung einer psychiatrischen Anstalt diente, ein Steinwurf entfernt vom berühmten „Haus der Künstler“. In der bunt bemalten Bleibe, die man übrigens -wie bisher- besuchen kann, leben und arbeiten derzeit neun psychisch kranke Künstler (u.a. Oswald Tschirtner, Arnold Schmidt oder Karl Vondal).
Momentan ist die Einstands-Ausstellung „Blug – vier Jahrzehnte Kunst aus Gugging“ noch bis 14. Januar 2007 zu sehen, die im Anschluss auf Welttournee gehen wird. Sie zeigt knapp 630 Spitzenwerke der Gugginger Art Brut, darunter 380 Originale und 250 Radierungen etwa von August Walla oder Johann Hauser, mittlerweile verstorbene -und hochpreisige- „Art Brut - Stars“. Die meisten Arbeiten gehören aber nicht dem Museum, dass heißt sie sind nicht im Besitz der im Jahr 2001 gegründeten „Privatstiftung – Künstler aus Gugging“, sondern wurden von externen Leihgebern zur Verfügung gestellt: von Arnulf Rainer, Helmut Szambo und Heinz Kammerer. Auch die Sammlung Essl hat Werke beigesteuert, genauso wie die Niederösterreichischen Landesmuseen. Da die psychisch kranken Künstler ihre Werke größtenteils nicht selbst veräußern, leihen oder schenken können, sondern nur über ihre rechtlichen Vertreter, ist es ein komplizierter Prozess, Werke der Stiftung einzuverleiben, die darum gerade mal über knapp siebzig eigene Werke verfügt.
Ein ausformuliertes Programm existiert für das Museum bisher noch nicht, doch weiß Johann Feilacher, seit 1986 streitbarer Leiter der Gugginger Künstlerkommune, immerhin was er nicht will: „Die ‚Collection de L’Art Brut’ in Lausanne (die der Künstler Jean Dubuffet, der den Begriff Art Brut prägte, 1947 ins Leben rief; Anm. d. Red.) ist eher statisch. Wir wollen jedoch Wechselausstellungen, in denen unsere Künstler in Bezug zu aktueller Kunst gestellt werden. Gastkuratoren sollen in Zukunft bei uns eingeladen werden. Wichtig ist uns, dass die Gugginger Künstler nicht, wie das etwa in den USA gemacht wird, spektakulär als Outsider verkauft werden, sondern als das, was sie sind: gute Künstler. Der Wahn ist ihre Privatsache.“
Feilachers Ziele sind hoch gesteckt: „Wir erwarten um die 55.000 Besucher pro Jahr“, so der Psychater und Bildhauer. Ab Anfang 2007 will er mit einem Restaurant und einem Shop zusätzliche Anreize für die erhofften Touristenbusse schaffen. Die können dann im neuen Museumsgeschäft neben Fachliteratur auch Art Brut - Merchandisingprodukte erstehen. Walla-Tassen und Tschirtner-T-Shirts? „Warum nicht“, so Feilacher. „Ich würde mich als Künstler darüber freuen.“



Artikel erschienen in der Kunstzeitung Nr. 8/2006
> Link:Art Brut Center - Haus der Künstler Gugging > Link:Collection de L’Art Brut- > Link:Fondation Dubuffet- > Link:Wikipedia/Jean Dubuffet- > Link:Sammlung Essl/August Walla- > Link:Kunstnet/Galerie Chobot/Ausstellung Johann Hauser- > Link:Haus der Künstler gugging/Blug-