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Es ist bekannt, traurig aber wahr. Gerade einmal zwei Prozent der Absolventinnen von Kunsthochschulen in Deutschland können von ihrer erlernten künstlerischen Tätigkeit leben. Für Österreich gibt es keine verbindlichen Zahlen, aber es dürfte dort nicht sehr viel anders sein. Von Antje Mayer.

Bakkalaureat- und Magisterstudium erstmals im deutschsprachigen Raum an der Akademie der bildenden Künste in Wien

Es ist bekannt, traurig aber wahr. Gerade einmal zwei Prozent der Absolventinnen von Kunsthochschulen in Deutschland können von ihrer erlernten künstlerischen Tätigkeit leben. Für Österreich gibt es keine verbindlichen Zahlen, aber es dürfte dort nicht sehr viel anders sein.

Man kann sich den deutschen Stephan Schmidt-Wulffen, Direktor der Akademie der bildenden Künste Wien, bildlich vorstellen, wie er sich in letzter Zeit die Haare raufte, angesichts der Tatsache, dass er eine Institution leitet, die Semester um Semester aller Wahrscheinlichkeit nach um die 98 Prozent Arbeitslose auf den Markt wirft bzw. sie mit einer Ausbildung ausstattet, die zu vielen gut ist, aber eben nicht zum Erhalt des eigenen Lebensunterhalts.

Diese Tatsache ist nicht eben neu, aber Schmidt-Wulffen scheint alarmiert und will nun auch in seinem Haus durchgreifen, nicht zuletzt deswegen, weil 29 Länder der EU vor sechs Jahren bereits beschlossen, bis 2010 einheitliche Hochschulabschlüsse zu schaffen. Nächstes Jahr 2006 schon möchte der Direktor an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, und somit als erste aller deutschsprachigen Kunsthochschulen, ein Bakkalaureat- und Magisterstudium einführen.

Künstler, Bühnenbildner, Architekten und Pädagogen sollen in Hinkunft ein gemeinsames Einstiegsjahr absolvieren, in dem ihnen „wesentlich gezielter“ theoretisches und praktisches Grundlagenwissen vermittelt wird. In insgesamt sechs Fächern werden sich die Studenten dann weitere zwei Jahre spezialisieren können, daraufhin erst folgen zwei Jahre Magisterstudium, von denen sechs angeboten werden: Architektur, Szenografie, Kommunikation/Pädagogik, Media Studies und Kulturwissenschaften.
Wem es danach nach noch höheren akademischen Graden gelüstet, kann sogar ein Doktoratsstudium anhängen, das sich aus interdisziplinären Kolloquien zusammensetzt.

Die Regelstudienzeit verlängert sich somit auf bisher vier auf fünf Jahre. Insgesamt, so verlautet aus der Akademie, erwarte man, die Zahl der Studenten damit zu senken. Fünfzig Prozent der Studenten der bildenden Kunst würden immer derzeit immerhin zwischen 17 und 21 Semester studieren, fast ein Jahrzehnt.

Dennoch: Das Gros der neuen Fächer nimmt sich reichlich universitär und schulisch aus, wobei die große Frage offen bleibt, wie man auf diese stark strukturierte Weise die umfassende Entwicklung frei denkender und schöpferischer Persönlichkeiten fördern kann. Bisher hatte man an der Akademie an dem klassischen System von Klassen festgehalten, in denen die jeweiligen Professoren ihre Schüler -verhältnismäßig frei und nach individuellen Vorstellungen- anleiten.

Das Motto der neuen Lehrgänge, so scheint’s, beinhaltet von allen etwas: “Bisserl Neue Medien und Kommunikation, abgemischt mit einer Prise Kultur und Kunst, aber nichts Spezielles“. „Hier geht es nicht um Schmalspur-Dupletten von Universitätskursen“, wehrt sich hingegen Schmidt-Wulffen, vielmehr würde man mit der Einführung dieser Sparten den aktuellen Kunstentwicklungen Rechnung tragen.

So unromantisch das Kritiker finden mögen, so der Direktor weiter, aber leider hätten sich heutzutage auch Künstler auf einen Markt zu behaupten. Opfer gibt es angesichts der Umstrukturierung bereits: Das traditionelle Fach Textiles Gestalten wird fürderhin nicht mehr an der Akademie, sondern nur noch an der Universität für angewandte Kunst Wien gelehrt werden.



erschienen im Informationsdienst Nr.319/März 05