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Von Antje Mayer.

Prominente Baustellen

Der Wiener Fotokünstler Markus Krottendorfer macht von sich Reden

Der junge Fotograf Markus Krottendorfer (Jahrgang 1976) ist (noch) ein Geheimtipp in der österreichischen Kunstszene, aber glaubt man Kuratoren und Kritikern, ist er auf dem besten Weg, ein ganz Großer zu werden. Er weiß genau, was er will, so scheint’s, und kann das auch genauso präzise formulieren.
Ein Thema, das Krottendorfer seit circa sechs Jahren beschäftigt, ist der besiedelte Raum, der sich verändert. Keine malerischen „Randzonen“, die bis zum Abwinken, fotografiert sind, sondern im Gegenteil politisch und historisch aufgeladene Plätze. Orte, die im Fokus des öffentlichen Interesses stehen und von Menschenhand verändert werden, einfacher formuliert: „prominente Baustellen“. Nicht das „Danach“ und genau genommen auch nicht das „Davor“ interessiert Krottendorfer, sondern das „Dazwischen“.
Ein Beispiel: 2004 reiste der Künstler nach China, um dort die Bauarbeiten des gigantischen „Drei-Schluchten-Projekts“, die Aufstauung des Jangste Flusses, dem 17 Städte und Dörfer weichen mussten, zu fotografieren. „Ich fand Landschafträume vor, die sich in einem fast schon surrealen Aggregatszustand befanden. Die Häuser standen zwar noch, aber sie waren verlassen. Es wurden Straßen in einer Höhe gebaut, die bereits die neue Uferlinie markierten. Auf trockenem Boden wurden Schiffe geschweißt, die später auf Wasser fahren sollten“, erinnert sich der Künstler. „Ich hielt die Vergangenheit und die Zukunft in diesem kurzen Moment, in dem ich auf den Auslöser drückte, fest. Damit habe ich diesen seltsamen interimistischen Augenblick historisch gemacht, ihn somit auch entsprechend gewürdigt.“ Ähnlich ging er kürzlich in London vor, wo er das im Bau befindliche Gelände für die Olympiade 2012 in einem Punkt seines Werdens dokumentierte. Oder in Moskau, wo er 2005 das „Rossija“, den sowjetischen Mega-Hotelkomplex mit 3.000 (!) Zimmern neben dem Roten Platz, kurz vor seiner Schließung und geplantem Abriss aufnahm.
„Das Medium Foto ist natürlich eine extrem abstrakte Form der Erinnerung, aber das finde ich künstlerisch eben so interessant“, findet der Künstler. „Denn wir Menschen erinnern uns ja nicht, indem wir eine Hunderlstesekunde des Erlebten wie auf einem Fotos abspeichern, sondern es eher wie in einem Video abrufen.“
Krottendorfer ist ein äußerst genauer Arbeiter und ein bisschen „altmodisch radikal“, denn seine Bilder entwickelt er noch selbst in der Dunkelkammer, bearbeitet sie nicht digital und wählt nicht einmal Ausschnitte. „Das ist eine Konsequenz meines dokumentarischen Anspruchs. Wenn ich abdrücke, will ich das Bild dann auch genau so. Dass ich dabei mit meiner Hasslblad auch noch das abstrakte Format des Quadrats bewältigen muss, macht es für mich nicht einfacher, aber betont die Abstraktion.“
Seine Liebe zur Fotografie, zu geologisch-urbanen Räumen und wohl auch der Hang zur Genauigkeit hat Markus Krottendorfer von seinem Vater geerbt, ein Kartograph. „Ich kann mich noch an dieses gigantische Repro-Labor mit den riesigen Apparaten erinnern, wie dort mein Vater am Tisch mit Tusche und Leuchtstift Gebirgskarten zeichnete. Für ihn hatte ich damals schon manchmal fotografiert.“
Anfang zwanzig versucht Krottendorfer in der Wiener „Schule für künstlerische Fotografie“, ein Institut, das die Fotografin Friedl Kubelka als einziges seiner Art in Österreich betreibt, konsequent beim Diafilm zu bleiben. Der erlaubt keine Nachbearbeitung. Eine gute Schule für seine pure Arbeitsweise später. Nach einem Jahr wechselt Krottendorfer dann zu Eva Schlegel an die „Akademie der bildenden Künste“ in Wien, an der er 2003 diplomiert. Es folgen zahlreiche Arbeitsstipendien und Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Die Wiener „Charim Galerie“ vertritt den Künstler.



Artikel erschienen in der Kunstzeitung 11/2006
> Link:Kunstzeitung > Link:Charim Galerie- > Link:Schule für künstlerische Photographie- > Link:Markus Krottendorfer- > Link:Wikipedia/Drei-Schluchten-Damm China- > Link:London 2012- > Link:Wikipedia/Hotel Rossija-