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Die Wiener fahren eine knappe Autostunde bis zur tschechischen Grenze, rund zweieinhalb zur slowenischen und nicht einmal eine zur slowakischen oder ungarischen. In Bratislava ausgehen, in Budapest in die Therme, nach Prag ins Museum, nach Ljubljana ins Café. Das ist europäische Lebensart par exellence, die steht in Brüssel nicht mehr nur auf einem Amtspapier, die wird ab 1. Mai gelebt. Die österreichische Hauptstadt rückt durch die neuen Beitrittsländer (wieder) vom Rand in die Mitte. Von Antje Mayer.

Eintritt frei!

Ausstellung in der Bawag Foundation in Wien

Diesen historischen Moment feiert auch die Bawag Foundation -das erste Mal- mit einer Gruppenausstellung: „Eintritt Frei. Kunst aus Bratislava, Budapest, Ljubljana, Prag und Wien“. Zwölf künstlerische Positionen aus diesen Städten, bisher eher unbekannte aus den siebziger Jahren und daneben zeitgenössische etwa von Marco Lulic (A), Krištof Kintera (CZ) oder dem Wahlwiener Markus Geiger (CH), die jene reflektieren oder ihnen ähnlich sind (bis 19. Juni).
Einer „Ost-Exotisierung“ will sich die Kuratorin Christine Kintisch selbstredend entziehen, das gehört inzwischen ins politisch korrekte Katalogvorwort wie das Amen in der Kirche. Indes Angst braucht Kintisch nicht haben. Man kennt die vorgestellten „Ost-Künstler“, u.a. Julius Koller (SK), Pavlina Fichta Cierna (CZ) oder Roman Ondák (SK) in Wien längst gut. Nicht zuletzt durch die zahlreichen „Ostexoten-Ausstellungen“ der vergangenen Jahre. Und Insider wissen, die neuen Beitrittsländer definieren sich und Wien längst als Mitte. Das Andere und Exotische sind längst schon wir. Und wer nennt wen Ost-Künstler? Die jüngeren unter ihnen sind längst Biennale-Nomaden, die halt irgendwo dort geboren sind. Und was ist letztendlich Osteuropa? Kein homogenes Gebilde jedenfalls, wie die Kuratorin richtig anmerkt, sondern eines mit höchst heterogenen Kunstgeschichten.
So war etwa in der kommunistischen Tschechoslowakei die institutionelle -und damit politisch akzeptierte- Kunst eine völlig andere, als die freie, die gezwungenermaßen im „Underground“ agierte. Deswegen hat die Konzeptkunst bis heute so einen großen Stellenwert in Tschechien, da sie eben lange Zeit subversives Instrument der Regimekritik darstellte. Das kommunistische Ungarn gab sich dahingehend angeblich weitaus toleranter. Noch mehr das blockfreie sozialistische Jugoslawien, das die Konfrontation mit den internationalen Avantgarden erlaubte. Die betrieb etwa die Künstlergruppe OHO, die von 1966 bis 1971 im slowenischen Ljubljana aktiv war und sich mit Formen der Art povera, der Process-, Performance-, Body-, Land- oder Pop-Art öffentlich auseinandersetzen durfte.
Übrigens: Der Ausstellungstitel „Eintritt frei!“ entspricht nicht ganz den Tatsachen. Ein Beispiel: Seit 1989 ist die Arbeitslosenrate in der Slowakei auf knapp 20 Prozent gestiegen und das soll voraussichtlich so bleiben bis 2010. Die Fristenlösung zur Öffnung des Arbeitsmarktes macht’s nicht besser. Aber egal. Die Künstler sind jedenfalls schon einmal herzlich willkommen! Eintritt (fast) frei! Der Eintritt in die Bawag Foundation kostet übrigens wirklich nichts.



erschienen in Kunstzeitung Nr.93/ Mai 04,S.20
> Bawag Foundation