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Um welchen Preis würden sich eine Künstlerin bereit erklären, mit Nicolas Bourriaud, einflussreicher Kunstkritiker und mächtiger Direktor des Palais de Tokio in Paris, Sex zu haben? Für eine Einzelausstellung oder nur eine Gruppenausstellung in seinem Haus? Die Erwähnung in einer seiner Artikel? Für einen Artikel ausschließlich über sie? Denkbar. Die Künstlerin Anetta Chisa ist sich unschlüssig, um welchen Preis sie sich hochschlafen würde. Immerhin macht sie sich nichts vor: Selbst in der hehren Kunstszene geht es letztlich nur um drei Dinge: Sex, Macht und Moneten. Der Dialog, den sie mit ihrer Kollegin Lucia Tkacová führt, stammt aus einer Videoarbeit mit dem ironisch pseudo-intellektuell klingenden Titel „Seductive Verwertung“ (2005). Von Antje Mayer.

Sex mit dem Kopiergerät

Die rumänische Künstlerin Anetta Mona Chisa macht feministische Kunst und beweist dabei sogar Humor

Es ist ein für die junge, in Rumänien geborene und in Bratislava und Prag lebende, Künstlerin Anetta Chisa typisches Projekt, die vorwiegend installativ performativ arbeitet und oft mit der Videokamera. Feministisch, frech, bissig, gesellschaftskritisch und immer humorvoll. „Feminism is (not) funny” könnte eine ihrer Devisen lauten. „Ich selbst habe immer den Drang“, so die Künstlerin, „die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.“

In ihrer Arbeit „Xerox“ (2003) tut sie das im wörtlichen Sinne. Man sieht eine Frau in einem leeren Großraumbüro nach Feierabend. Nackt kopiert sie sich heimlich in aufreizenden Posen von unten auf dem Kopiergerät. Irgendwie amüsant, rebellisch und zugleich erotisch die Office-Peepshow, berührend zugleich. Begriffe wie Männerphantasien, weibliche Onanie als emanzipatorischer Akt, Maschinensex bis zu Warhols Thema der kapitalistischen Kopier- und damit Ersetzbarkeit von Waren wie Frauen und Büroshops gehen einem durch den Kopf. „Mein Ziel ist es, den Betrachter mit Situationen zu konfrontieren, die seine Wahrnehmung verändern können“, so die Künstlerin. „Ich nehme an, das könnte man auch eine Form von Rebellion nennen.“
Chisa wuchs in der tiefsten rumänischen Provinz auf, gehört zu der Generation junger, international allmählich erfolgreichen, Künstlerinnen um die dreißig Jahre, die ihre Jugend noch im ehemaligen Ostblock erlebt hatten. Ihre künstlerische Ausbildung an der Akademie für angewandte Kunst und Design in Bratislava absolvierte sie aber schon nach der Wende (1994-2000), vor dem Hintergrund eines ungleich harten, aber dafür auch freien und grenzenlosen Kunstmarktes. Ausdrücklich bezieht sie sich, wie viele ihrer Kolleginnen, auf die Aktionskünstlerinnen der Sechziger und Siebziger, die damals bekanntlich kaum öffentlich, wenn, nur im Underground agieren konnten: „Speziell in der Slowakei hält unsere Generation das künstlerische Erbe der Sechziger und Siebziger noch heute sehr hoch.“
Vor einiger Zeit ist Chisa, die auch als Kuratorin sehr aktiv ist, „um frische Luft zu schnappen“ von Bratislava nach Prag übersiedelt, um als Assistentin für Neue Medien an der Universität für Bildende Kunst in Prag zu lehren. Ihrer künstlerische Karriere tat der Tapetenwechsel gut, allein im vergangenen Jahr verzeichnet sie drei Einzelausstellungen in Brünn, Prag und Bratislava und sieben Gruppenausstellung u.a. in Milano, Dresden oder Yerevan.

www.chisa-a.ne




Dieser Artikel ist in der Kunstzeitung 6/2006 erschienen.