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Helena Königsmarková, seit 1991 Direktorin des Museum für dekorative Kunst (UPM) in Prag, kann sich noch gut an ihre ersten Ausstellungen im Haus erinnern. Voller Elan hatte sie damals als blutjunge Kuratorin, frisch von der Universität, eine Spielzeug-Ausstellung zusammengestellt, nichts Aufrührerisches im Sinn. Von Antje Mayer.

Absurditäten der Totalität

„Kurz nach der Eröffnung geriet die Schau zum Skandal. Das Ministerium warf uns vor, wir würden feudale und bourgeoise Spielzeugkultur bagatellisieren. Unvorstellbar aus heutiger Sicht! Selbst scheinbar harmlose Ausstellungen wie eine über barocke Textil- und Goldschmiedekunst arteten zum Problem aus. Die Behörden störten die christliche Kreuze, die man im Katalog ohnehin teils weg retouchiert hatte. Wir mussten daraufhin in einem Schreiben versichern, dass es sich vielmehr um ‚eine Leistungsschau handgewerblichen Könnes in der Tschechoslowakei’ handle. Dann waren sie beruhigt.“
Heute kann Königsmarková über derartige „Absurditäten der Totalität“, wie sie es selbst nennt, herzlich lachen. Das tut sie überhaupt sehr oft, wenn sie im fließenden Deutsch über ihre Arbeit und das Museum erzählt und vielleicht sieht man ihr deswegen auch ihr Alter von 56 Jahren nicht an. „Damals konnten sich Banalitäten zu etwas Politischen und leider auch zu tragischen Einzelschicksalen auswachsen. Im Museum waren wir vor solchen Angriffen verhältnismäßig geschützt. Wir entwickelten dort sogar eine Art regierungskritisches Klima, unterschrieben zur Wende gemeinsam die Resolutionen und gingen bei den Demonstrationen auf dem Wenzelplatz in der ersten Reihe.“
Nach 1991 interessierte sich niemand mehr für solcherart Zivilcourage. Dann wurden Königsmarková von niederländischen Coachs, mit denen man kooperierte, Begriffe wir ‚Management’ und ‚Sponsoring’ um die Ohren gehauen. „Wir waren naiv und trauten uns das alles anfangs nicht zu“, erzählt die Direktorin, „Man muss sich das heute vor Augen führen. Mit 44 Jahren konnte ich das erste Mal als Kunsthistorikerin nach Italien reisen. Vorher war es vielleicht hie und da möglich als Kurier -nach langwierigen Behördenwegen - ein Kunstwerk zu begleiten.“
Doch Königsmarková hatte sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schnell auf die neuen Zeiten umgestellt. Sie reorganisierte und renovierte das historistische Prager Haupthaus, wie auch die Außenstellen. Die dort –teilweise in katastrophalen Umständen untergebrachten- Stücke holte sie nach Prag zurück. Das UPM ist inzwischen Mitglied des ICOM (Committee for Museums and Collections of Applied Art). Die Bibliothek nebst Lesesaal, die Wechselausstellungen und die permanente Schau, mit einem liebevoll präsentierten Modeschwerpunkt, braucht den Vergleich mit dem Wiener MAK inzwischen nicht mehr zu scheuen. Indes, das Neorenaissance-Gebäude nahe der Moldau, das, Gott sei Dank, vergangenes Jahr weitgehend vom Hochwasser verschont blieb, platzt mit seinem weit über 250.000 Stück Inventar (Fotografie, Glas, Keramik, Möbel, Grafik, Mode, Textil) aus allen Nähten. Ab nächstem Jahr wird deswegen eine Außenstelle im Geymüller-Schloss in südböhmischen Kamenice nad Lipou eröffnet. Ab 2005 ist in Prag sogar der Baubeginn eines modernen, teilweise offenen Depots geplant.
Königsmarková erhofft sich davon mehr gesellschaftliches Prestige für ihr Haus, so wie sie es aus dem Westen kennt: „Wenn wir es besäßen, glauben Sie, ich würde sonst als Frau noch auf diesem Direktorenstuhl sitzen?“



Bis 26. Oktober noch zeigt das UPM in der Reitschule des Prager Schlosses eine Ausstellung über das Werk des in den USA bekannt gewordenen Grafikpioniers und Designers Ladislav Sutnar (1897-1976).