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Bal-kan könnte man auch mit „Blut-Honig“ übersetzen. Balkan impliziert das Grausame und das Schöne in seinem Wortlaut, so wie es auch der Begriff des Helden tut. Die, die einst in Jugoslawien als solche verehrt wurden, sitzen in Den Haag. Die kleinen wahren Helden des Krieges jedoch sind heute vergessen und die neuen noch nicht angekommen. Bosnien-Herzegowina ist ein Land, von dem man auf dem Balkan sagt, seinen Einwohnern wäre die Berliner Mauer direkt auf den Kopf gefallen. 278.000 Tote und Vermisste und 1,325 Flüchtlinge hat das Land zu beklagen und damit wohl mit die größten Verluste der letzten Balkankriege. Von Antje Mayer.

Bruce Lee schlägt Brücken in Mostar

Über die großen gesuchten und die kleinen vergessenen Helden von Bosnien-Herzegowina oder warum die Berliner Mauer seinem Volk direkt auf den Kopf gefallen ist.

Ein „Held“ von einst ist Radovan Karadzic, derzeit einer der gesuchtesten Kriegsverbrecher des Kriegstribunals in Den Haag. So sehr geehrt wird er noch, dass dieser seelenruhig seine Biografie in Belgrad im heurigen Herbst vorstellen kann. Immerhin war er nicht so dreist, persönlich zu erscheinen, sondern seinen Bruder zu schicken („Mein Bruder ist ein Humanist, der Menschen über alles liebt“). Das war im übrigen das inzwischen dritte Buch des Psychiaters und Kindergedicht-Verfasser, das dieser auf der Flucht veröffentlichte. Das Geschäft lohnt. Sein serbischer Verleger Miroslav Toholj ist angesichts der sehr großen Nachfrage hocherfreut.

Der Mitverantwortlichen des Sebrencica-Massakers, bei dem an einem Tag 8.733 Bosniaken von serbischen Milizen exekutiert wurden, betreibt eine eigene Website ebenfalls entspannt: www.karadzic.or. Neben den dortigen Ressorts „history of conflict“ und „civil war“ kann man auch auf die Rubrik „democracy“ klicken. Absicht oder Zufall? Sie ist leer. Fast. Nur der Hinweis „soon“ weckt Hoffnung.

Neben Essays über seine Person und sein poetisches Können publiziert der offzielle Herausgeber, das sogenannte International Committee for the Truth about Radovan Karadzic, historische Unwahrheiten wie diese: “Sarajevo is a Serb town, and has always been. It was built on the Serb land, the Serb soil.” Dazu gestellt ist ein Porträt des Kriegsführers mit seinem Markenzeichen: der voluminösen Fönfrisur, Buschenbrauen nebst Kleinkind im Arm. Er sieht gesund und erholt aus. Das alles ist ein Schlag ins Gesicht der Bosniaken. Allein die Einwohner von Sarajewo hatten während der über dreijährigen Belagerung durch Karadzics Schergen über 50.000 Verwundete zu beklagen, 10.000 der ihren hatten sie verloren, davon 1.600 Kinder. Aber in in Belgrad und in Karadzics Heimatort Pale in der heutigen Republik Srpska, ein Vorort von Sarajewo gibt es weiterhin Poster und T-Shirts mit dem Konterfei des „Kriegsstars“ zu kaufen. Srpski Heroj" (auf Deutsch: "Serbischer Held") ist darauf zu lesen.

Es ist eben schon ein Unterschied, ob sich Zwei, die im Zwist lagen, aus eigenen Stücken vertrugen oder aber, ob sie vertragen wurden. „Im Zweifelsfall immer lächeln, leise und allgemein sprechen und die Schritte behutsam setzen“, so ähnlich könnte es im Balkan-Nachkriegs-Knigge Ausgabe 2004 stehen, gäbe es ihn. Längst noch nicht sind die alten Konflikte, so wie 98 Prozent der Minen im Land, aus dem Weg geräumt. Der Vulkan Balkan brodelt immer noch unter der Oberfläche. Wie lange noch, ist derzeit ungewisser als je zuvor.

So scheint’s, die internationale Gemeinschaft erträgt eher die Schmach, den Völkermörder Karadzic seit neun Jahren „lieber eher nicht“ zu finden, als durch seine Festnahme Unruhen unter seinen Fans zu riskieren. Aus dem Umkreis des OHR (Office of the High Representative) in Sarajewo verlautet jüngst dazu, dass man die Operationen gegen Karadzic eben bisher nicht gemein halten konnte und „es ohnehin lieber gesehen werde, wenn die Kriegsverbrecher von den Behörden und nicht von der SFOR dingfest gemacht würden“. So wenig gewollt wie geheim sind übrigens die Operationen, ätzen einige Insider, dass bei der letzten Aktion die Fernsehteams auf die Nato-Truppen am Einsatzort schon warteten.

Wer sind die vielen, die ihn schützen und wer die vielen, die Angst haben, ihn zu verraten? Eine Auslieferung ist Bedienung für den Abzug der internationalen Gemeinschaft aus Bosnien-Herzegowina. Und so hängt das Schicksal und die Angst der Bosniaken, Treppenwitz der Geschichte, über zwölf Jahre nach Kriegsbeginn immer noch an der Person Radovan Karadzic. Del Ponte, Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshöfe machte kürzlich gute Miene zum Katz und Maus-Spiel um die Festnahme Karadzics: "Ich bin optimistisch, dass das bis zum Jahresende passiert." In Sarajewo glaubt ihr das keiner.

So wie die Farce um den Kriegsverbrecher sinnbildlich für den Aufschub von Geschichtsaufarbeitung auf dem Balkan steht, so steht die bosnische Hauptstadt Sarajewo, die 43 Monate von Karadzic Truppen belagerte Stadt der Kunst und Festivals, für den Versuch, die mühsame Bewältigung der Geschichte zu versuchen.

Von auf der Anhöhe gelegenem Ausflugs-Restaurant Park Prinèeva, das besonders bei den vielen, gut verdienenden Ausländern in der Stadt beliebt ist, hat man einen wunderbaren Ausblick über das schöne Sarajewo, das sich auf die herbstlichen Hügel rundherum malerisch zerstreut, mit seinen Straßencafés, k.u.k.-Prachtbauten, Villen, Olympiastadien der Winterfestspielen 1984 und kleinen Gässchen der orientalischen Innenstadt mit seinen Minaretten und Märkten.

„Von dieser Aussichtsterrasse hatten die serbischen Scharfschützen eine ideale Stellung“, erinnert sich der Jurastudent Ognjen Dizdarevic. Er ist einer der wenigen jungen Menschen, die nach ihrer Diaspora wieder nach Bosnien zurückgekehrt sind und sich für den Aufbau des Landes –auch politisch- engagieren. „Im Widerstand kamen so viele guten Eigenschaften bei den Menschen zutage, jedoch gibt es kaum Persönlichkeiten, die dieses Engagement in die Landespolitik hinüberretten, wie es zum Beispiel Nelson Mandela oder Vaclav Havel getan haben. Und fehlen Führer mit Format“, ist Dizdarevic enttäuscht. Als während der Belagerung ein Mitschüler neben ihn erschossen wurde und eine Granate neben seinem Vater und ihm einschlug, glücklicherweise ohne zu explodieren, fand seine Familie es wäre an der Zeit, ihn, wie viele andere Kinder, aus der Stadt zu schicken. 14 Jahre alt war er damals erst. Noch heute quält den jungen Dizdarevic wie viele seiner Altersgenossen vor allem eines: Das schlechte Gewissen, seine Familie und Freunde in der Stadt damals zurückgelassen zu haben.

Was wären solche kleinen „Helden“ von heute ohne die Feiglinge von gestern. Die kamen während des Krieges oft aus Belgrad übers Wochenende in die Hügel über Sarajewo, um sich ein Zubrot mit Morden aus dem Hinterhalt zu verdienen. „Erst schossen sie von hier den Bewohner ins Bein, so daß sie nur verletzt waren“, zeigt Dizdarevic über den hübsch begrünten Hang. „Aber nur damit ihnen andere zu Hilfe kamen, damit sie dann noch mehr vor der Flinte für den finalen Schuss hatten. Mehrere Fliegen auf einen Schlag. 100 Dollar, erzählt man, bekamen die Snipers für einen toten Mann, 200 für eine ermordete Frau, 500, wenn sie den kleinen Sohn, der an der Hand seiner Mutter ging, tödlich trafen.“ Die Granatlöcher im Asphalt habe man an manchen Stellen inzwischen mit rotem Gummi gefüllt, auf dass niemand die Toten vergessen möge. Die schaurigen Flecken nennen die Einwohner „Sarajevos Rote Rosen“.
Seit kurzem erst vermöge er über alles zu reden, so der Jurastudent, der sich über das Jahr für seine Ausbildung Geld beim Sarajewo Filmfestival verdient. 1995, unter konstanter Bombardierung der Stadt, zeigte jenes erstmals Filme. Inzwischen wird es als ein mindestens so wichtiges Kino-Kultevent wie Cannes und in Berlin gehandelt. „Das Festival ist deswegen so ein wichtiges Ereignis“, so der Mitgründer und Direktor Mujan Dževad, „weil auch viele Filmstars und Filmemacher vom Balkan dort auftreten und nur dort, ihre Filme zeigen können. Werke, die sich oft mit etwas sehr Wichtigen beschäftigen: die Verarbeitung unserer Geschichte.“ Dževad und seine Kollegen werden in der Region und in der ganzen internationalen Filmwelt inzwischen selbst wie Stars gefeiert. Seine Heldentat war die moralischen Unterstützung der Bevölkerung mit Hilfe der Kunst.

„Ohne die Kunst wären wir verrückt geworden“, meint auch Senka Kurtovic, Chefredakteurin der legendären Tageszeitung Osloboðenje. Während der Belagerung produzierten sie und ihre Kollegen die Zeitung im Keller des Verlagshauses, wo sie die meiste Zeit schliefen, essen, eben mehr schlecht als recht (über)lebten. Ihr Motto: Kein Tag ohne neue Ausgabe. „Verteilen konnten wir das Blatt unter diesen Umständen ohnehin nicht. Wir hängten die Seiten an die Wände, damit sie die Leute lesen konnten“, so Senka Kurtovic, deren Team für seine Standhaftigkeit schon zahllose internationale Preise verliehen bekam. Auch sie kann ihren ganz persönlichen Helden aus der Zeit nennen: Einen Kollegen aus Frankreich, der ihr während der Belagerung ein Paket schickte. „Neben Nahrungsmittel hatte er ein Parfum beigelegt. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so sehr über ein Geschenk gefreut“, erinnert sich Kurtoviæ mit Tränen in den Augen. “Es war in diesem Horror ein Stück Normalität.“ Heute kann Osloboðenje froh sein, wenn sie eine Auflage von 3.000 Stück verkauft.
„Während der Belagerung Sarajewos gab es nur zwei Nadelöhre, die aus Sarajewo führten. Im Schutz der Dunkelheit konnte man über das Rollfeld des UN-Flughafens um sein Leben laufen und dabei das hohe Risiko eingehen, getötet oder von den UN zurückgeschickt zu werden, oder durch den Tunnel kriechen, der darunter verlief“, erzählt Edis Kolar. Seine Familie, besonders sein Vater Bajro Kolar, war neben den zwei Ingenieuren Nedzad Brankovic und Fadil Sero und den zwei Vermessungstechnikern Ibrica Fazlic und Semsudin Kadribasic maßgeblich an der Grabung dieser Lebensader beteiligt, die vielleicht Tausenden zwischen 1992 und 1995 das Leben rettete. Ein 800 Meter langer und gerade einmal einen Meter breiter und eineinhalb Meter hoher Gang. Durch ihn krochen täglich bis zu 3.000 Menschen, so viele, dass man für die kurze Strecke bis zu zweieinhalb Stunden benötige. Alles wurde transportiert: Verletzte auf Bahren, Kinder und Jugendliche wie Ognjen Dizdarevic, Medikamente, Essen und Waffen. „Dazu führte eine Starkstromleitung offen durch den ständig vom Grundwasser überschwemmten Tunnel und eine Pipeline für Kraftstoff. Dass nie etwas passierte und die Serben den Geheimgang nicht fanden, grenzt an ein Wunder“, ist Kolar noch heute erstaunt.

In dem einstigen stark zerstörten Wohnhaus seiner Familie, außerhalb der Stadt in der Ulice tuneli (Tunnelstraße), da wo sich der Ausgang des Tunnels befand, hat Kolar mit seinem Vater ein Kriegstunnel-Museum errichtet, in dem ein 20 Meter langer Originalabschnitt des Fluchtweges, Karren, Ausrüstungen, Werkzeuge, Karten und Videos ausgestellt sind. Auch die alte Großmutter Šida mit ihrem bunten Balkankopftuch sieht dort noch ab und zu nach dem Rechten. Sie ist eine der vielen, bis heute verehrten, „kleinen Kriegshelden“ von Sarajewo. „Sie hatte immer ein Glas Wasser für erschöpfte Soldaten, ein Stück Brot für alle, die Hunger hatte und im Winter wärmten sich Hunderte von Menschen in ihrem kleinen Zimmer auf“, erinnert sich ihr Enkel Edis Kolar. Aber mit Erinnern ist nun Schluss: „Kürzlich erst wurde meine Familie von der Stadtregierung vorgeladen. Sie möchte, das wir das Museum schließen, die Bevölkerung würde ohnehin kein Interesse zeigen. Neidet man uns den Erfolg?“ Die Enttäuschung steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Es nimmt den Anschein, daß das Museum für Kolar mehr als nur ein Ort der Erinnerung ist, sondern auch als eine Art Psychotherapie fungiert, das Trauma des Krieges zu überwinden.
Auch „General“ Jovan Divjak ist wie Großmutter Šida inzwischen eine Art Legende in Sarajewo. Er ist Serbe, kämpfte aber während der Belagerung auf Seiten der Bosnier, „weil ich sah, was Recht und Unrecht war.“ Heute engagiert er sich in der Vereinigung „Education builds Bosnien-Herzegowina“ für Kinder, die kriegsversehrt sind oder die beide Eltern verloren haben. In Bosnien-Herzegowina leben heute etwa 3.000 Kriegswaisen. 30.000 haben ein Elternteil verloren. Er ärgert sich, dass die Saudis ihr Geld nun überall in Sarajewo für riesige Protzmoscheen für bis zu 5.000 Gläubigen ausgeben, anstatt für die vielen noch von Granaten zermalmten Häuser, für Fabriken oder eben Kulturgüter wie das Nationalmuseum. Das sei zwar inzwischen renoviert, jedoch musste es in diesem Herbst schließen. Die Regierung will kein Geld mehr für die Heizung zahlen. Bosnien-Herzegowina ist bankrott. 70 Prozent des gesamten Staatshaushaltes gehe, laut OHR, immer noch für den ineffektiven Verwaltungsapparat drauf. „Closed for the public“ hat die Museumsdirektorin auf einem großen Plakat zur Mahnung über den Haupteingang hängen lassen. Auf Englisch. Hilfe von ihrer eigenen Regierung erwartet sie sich wohl nicht.

Nicht weit vom Museum entfernt befindet sich das große Postgebäude von Sarajewo. Auf dem hatte ein Soldat während des Krieges „Das ist Serbien“ gesprayt, weiß Ex-General Jovan Divjak. Ein mutiger Bosnier strich daraufhin diesen Satz durch und schrieb „Du, Idiot, das ist nicht Serbien, das ist die Post.“ Ganz Sarajewo kennt diese Anektode, brachte sie doch zum Ausdruck, was viele in der Stadt dachten und denken: „Was kümmern uns die Ethnien!
Aber die schöne alte türkische Städtchen Mostar, die Hauptstadt von Herzegowina bleibt bis heute ethnisch geteilt: in einen, 1993 von den Kroaten zehn Monate belagerten, muslimischen und einen kroatischen Teil, getrennt durch den Fluss Kujundziluk. „Bewohner des einen Ufers gehen immer noch kaum auf das andere“, erzählt Meri Musa vom Kultur- und Jugendzentrum in Mostar, an dessen zerschossenen Fassade ein Optimist „Love is what we need“ gepinselt hat. Aber die Wiedervereinigung Mostars lässt 2004, über zehn Jahre nach dem Krieg, immer noch auf sich warten. Bis heute gibt es kaum ein Haus im Zentrum, das nicht vom Krieg gezeichnet ist. Erst im Sommer wurde mit internationaler Hilfe die Stari Most (Alte Brücke) wiederaufgebaut. Immerhin springen –nach alter Tradition - junge Männer wieder die 20 Meter als Mutprobe in die Tiefe. Für Touristen für fünf bis 25 Euro, aber in den jeweils anderen Stadtteil gehen sie dafür nicht. Ein paar Meter nur vom pitturesken mittelalterlichen Zentrum entfernt, verlief die Frontlinie. „Die Soldaten der Feindparteien standen sich an der Frontstraße so nah“, erzählt Musa, „daß sie sich gegenseitig atmen hören konnten. Sie fragten sie gegenseitig sogar nach Zigaretten. Nachdem sie sich Feuer gegeben hatten, schossen sie weiter auf einander. Das war kein Krieg der Heldentaten, sondern einer des Abschlachtens. Abenteurer und Helden sindeben zweierlei Menschenschlag.“

Die Monumente ihrer einstigen Helden haben sich die Schergen indessen gegenseitig von den Sockeln geschossen. Kaum eines, das noch in Mostar oder Sarajewo steht. Die Sehnsucht nach neuen Vorbildern scheint dennoch so groß, daß sich die multi-ethnische Stadtregierung von Mostar nun nach langem Hin und Her auf ein Monument für einen Mann geeinigt hat, der in Augen aller eine Ehrung verdient: den asiatische King of Konfu - Superstar Bruce Lee. Und was hat Lee mit Mostar zu tun? „Nichts“, witzelt Nino Raspudiæ von Urban Movement, eine Künstlerinitiative, auf dessen Konto die Aktion geht. „Aber warum nicht Bruce Lee? Er rauchte nicht, er trank kein Alkohol. Vielleicht war er dumm, aber er war schnell. Und jeder liebt ihn. Er ist der neue Held von Mostar. Denn, wenn das Denkmal steht, wird niemand mehr über Mostar als Stadt der 20.000 Toten sprechen, sondern über den Ort, wo das Bruce Lee-Monument steht.“ Bis Ende des Jahres soll es aufgestellt werden. Wenn alles gut geht, zögen bis dahin zwei Helden um: Bruce Lee nach Mostar und Radovan Karadzic nach Den Haag.

Frage an die Maus:
Was ist Bosnien-Herzegowina heute?

Das Land besteht aus den zwei Entitäten, der Förderation Bosnien-Herzegowina und der Republica Srpska und hat heute insgesamt knapp vier Millionen Einwohner. Die Hauptstadt ist Sarajewo, deren Einwohnerzahl sich von 1991 von 527.049 auf heute 350.000 dezimiert wurde. Von 2. März 1992 bis 19. März 1996 wurde Sarajewo von serbischen Truppen belagert. Nur über den UN-Flughafen über das Rollfeld in der Nacht oder über einen unterirdisch gegrabenen Tunnel konnten Menschen und lebenswichtige Mittel ein- und ausgeführt werden. Das Land beklagt 278.000 Tote und Vermisste und 1,325 Flüchtlinge und kann damit wohl die größten Verluste in den letzten Balkankriegen beklagen. Am 24. Oktober 1991 wurde in Banja Luka ein serbisches Parlament für Bosnien und Herzegowina einberufen und Karadzic zum Präsidenten einer „Regierung” in Pale ernannt. Bis zum Dezember 1992 hatten die serbischen Bosniaken mit Hilfe Serbiens etwa 70 Prozent des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und Karadzic wurde zum Präsidenten der „Serbischen Republik Bosnien und Herzegowina” gewählt. Die Übergriffe serbischer Soldaten auf die muslimische und kroatische Zivilbevölkerung und die so genannten „ethnischen Säuberungen” in den besetzten Gebieten wurden von Karadzic legitimiert. Er wird seit 1995 vom Kriegsverbrecher Tribunal in Den Haag gesucht. Erst zwei Prozent der Minen im Land sind bisher geräumt.