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„Sobald man das Schloss betritt, hat der Tanz schon begonnen“, verheißt William Forsythe. Der bekannte Leiter des Frankfurter Balletts präsentiert momentan mit der Choreographin Dana Caspersen eine volksnahe Tanzperformance der besonderen Art. Anlässlich der Eröffnung des Wiener Tanzquartiers haben beide ein riesiges, weißes Luftschloss mit Zinnen aufblasen lassen, das White Bouncy Castle, eine Hüpfburg der Extraklasse in der Halle E des Museumsquartiers (15. bis 19. September).

Von Antje Mayer.

Hüpfen für die Kunst

Jeder darf hier mal „tanzen“. Kinder, Erwachsene und Profis gleichermaßen. Die Grenze zwischen Zuschauer und Akteur ist aufgehoben. Spielerisch, so der Wunsch der Choreografen, soll das Bewegungsrepertoire des eigenen Körpers entdeckt werden. „Hemmungslos kindisch sein und bitte kein falscher Scham“ ist dabei die Devise: Hinfallen, in die Luft springen und gegen die Polsterwände prallen. Grazil hopst dabei niemand, nicht einmal die Tänzer. „Auf diesem Tanzboden sind alle gleich“, so Forsythe. „Lassen Sie sich einfach fallen, in das weiße Traumschloss, das sie zuckerwatteweich auffängt und sanft wieder in die Lüfte wirft.“
Platz ist genug dafür da. Die „Antibühne“ (Forsythe), die der Choreograph und Caspersen 1997 das erste Mal im Roundhouse, einem großen Rangierbahnhof in London vorgestellt hatten, ist ein Riesen-PVC-Koloss: Zwei Tonnen schwer, 34 Meter lang, 13 Meter breit und 11 Meter hoch und damit immerhin die größte Kunstinstallation der Welt, mit einem Eintrag im Guiness Buch der Rekorde.
Musik gibt es freilich auch und zwar vom US-amerikanischen Komponisten Joel Ryan, der extra für das White Bouncy Castle ein digitales Musikstück komponiert hat, das zu den -zwischen Schnell und Langsam, Schwer und Schwerelos wechselnden- Hüpf- und Fallbewegungen passt.
Für Forsythe und Caspersen ist es bisher ihr erfolgreichstes choreografisches Konzept. „Mit ihm gelingt es“, so Forsythe, „die unterschiedlichsten Zustände körperlich-räumlicher Organisation, mit der die Choreografie zu tun hatten, in eine Eigenständigkeit zu überführen, die keiner dirigierenden Einflussname mehr bedarf.“ In diesem Sinne: Jackett aufknöpfen, Stöckelschuhe weg, nichts wie auf und ab ins Hüpf-Vergnügen.




erschienen in Kunstzeitung Nr.85/Sept.03,S.21
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