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Als Florian M. (26) erfuhr, dass er an der Akademie der Bildenden Künste Wien Malerei studieren durfte, „war das wie Ostern und Weihnachten zusammen“. Unter Hunderten von Bewerbern ausgesiebt zu werden, hatte seinem Selbstwertgefühl gut getan. „Auf einmal gehörte ich zur kreativbegabten Elite Österreichs“, erinnert sich Florian M. „Während meine Freunde längst veraltete Studieninhalte für irgendwelche Spießerberufe büffelten, in überfüllten Hörsälen saßen, stand ich im Atelier, malte, experimentierte mit verschiedenen künstlerische Techniken -von der Fotografie bis zur Computeranimation- las die Bücher, die ich für wichtig fand und hatte vor allem ein Netzwerk.“ Während der Ausbildung konnte Florian M. in ein paar Gruppenausstellungen sogar schon in namhaften Galerien ausstellen. „Eine schöne Zeit“, schwärmt Florian. Von Antje Mayer.

Endstation Sehnsucht

Seit gut einem halben Jahr hat Florian M. nun endlich sein Diplom in der Tasche. „Mit den Worten: Ab nun stehst du auf eigenen Beinen“, gab ihm sein Vater die letzten 600.- Euro für sein WG-Zimmer und den Lebensunterhalt.
Der diplomierte Künstler hat inzwischen nicht nur gekellnert, sondern auch als trommelnder Durarex-Hase in einem Einkaufszentrum gejobbt, Japanern auf dem Weihnachtsmarkt Mozartpuppen verkauft und in der Frühschicht Urin-Teststreifen in ein Magazin eingeklebt. „Das ist Kreativität der hardcore-kapitalistischen Art“, so der Akademiker. „Seit meinem Diplom habe ich keine Zeit für meine Kunst. Ich bin ununterbrochen damit beschäftigt, Jobs zu suchen. Mein Akademie-Netzwerk nutzt mir dabei wenig. Wenn ich kein Geld habe, kann ich nicht Kunst machen. Wenn ich nicht Kunst machen kann, kann ich kein Geld damit verdienen. Ein Teufelskreis“, ärgert sich der Maler. Und bei der derzeitigen Konjunkturlage sehe er als Künstler keine Chance, eine „auch nur halbwegs regelmäßige und halbwegs anständig bezahlte Arbeit zu bekommen“. Die existiere doch momentan nicht einmal für „normal Ausgebildete, so Florian M.
Eine neue Gesellschaft von Bohémes also? „Schön wär’s. Die habe derzeit für kreative Arbeit keinen Nerv mehr, so Marina Z. (32), eine ehemalige Bildhauerstudentin der Universität für Angewandte Kunst in Wien: „Gerade einer aus unserer Klasse“, weiß Marina, „kann vom Verkauf seiner Arbeit mehr recht als schlecht leben.“ Fünf ihrer Objekte habe sie aber immerhin schon verkauft. „Drei davon allerdings an meine eigene Tante“, lacht sie. Nun sehe sie zu, „sich nicht doch noch hochschlafen zu müssen“ und in einer Werbeagentur als Grafikerin unterzukommen. Die Werbewirtschaft sei heute leider oft der letzte Anker der Kreativen. „Wenn dieser Weg nicht klappt“, so Marina, „geht mir langsam der Humor aus.“
„Gerade wenn, wie gegenwärtig, die Marktlage schlecht ist, spüren das die Künstler als erste“, meint auch Susanne Rauscher, Pressesprecherin des Wiener Arbeitsmarktservice. „Nicht, dass sie keine Themen hätten, im Gegenteil, nur keine Kunden. Für die Gesellschaft ist Kunst immer noch Luxus. Den will man sich nicht leisten, wenn man selbst kein Geld hat“, so Rauscher. „Derzeit sind in Wien 2.000 Künstler arbeitslos gemeldet. Diese Zahl umfasst vor allem darstellende Künstler wie Schauspieler, Sänger und Tänzer. Das ist allerdings nur die Spitze des Eisberges. Die Dunkelziffer liegt sehr weit höher“, befürchtet die Pressesprecherin.
In Deutschland sieht die Lage nicht viel anders aus. Der Deutsche Kulturrat wies kürzlich darauf hin, dass die soziale Lage der Künstler in Deutschland „alarmierend“ sei. Die Zahl der arbeitslosen bildenden Künstler, über die Künstlerversicherung sind etwa 97.000 selbständige Künstler versichert, hätte sich in nur acht Jahren verdoppelt. Viele Künstler müssten zudem mit einer Mini-Rente in der Höhe von 400.- Euro auskommen. Kulturstaatsministerin Christine Weiss wies darauf hin, dass sich die Einkünfte selbstständiger Künstler im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen unterdurchschnittlich entwickelten. Das Durchschnittseinkommen läge bei 11.100.- Euro pro Jahr.
In Wien hat man nun auf die prekäre Lage reagiert. Dort sollen Künstlerinnen voraussichtlich ab kommenden Sommer von einer externen Institution, nicht mehr von Arbeitsmarktservice selbst, vermittelt werden. Man arbeite gerade an einer Ausschreibung. „Die Künstlervermittlung“, so die Pressesprecherin Susanne Rauscher, „ist eine sensibler Bereich, den wir an kompetente Fachleute auslagern wollen.“ Für die Betreuung arbeitsloser Künstler brauche man ein „hohes Expertenwissen und genaue Kenntnis der Kulturszene und damit der potenziellen Arbeitgeberinnen“, meint auch Inge Friehs, stellvertretende Leiterin der AMS Wien.
In den übrigen Bundesländern Österreichs muss allerdings weiterhin das Arbeitsamt den Künstlern helfen. Wie soll das für die Suche nach künstlerischer Arbeit taugen, wenn es schon mit der Vermittlung landläufiger Berufe akute Probleme hat?
Der Heidelberger Politaktivist und Satiriker Klaus Staeck macht sich dahingehend wenige Illusionen. Einer seiner gewohnt bissigen Plakate überschrieb er mit "Endstation Sehnsucht" (1986, siehe Foto). Darauf sieht man einen zugemauerten Tempel mit der Aufschrift "Arbeitsamt"



erschienen in Kunstzeitung Nr.91/März 04,S.4