Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Mit der westlichen Lust auf „KGB-Trash à la Russe“ kann Jerzy Onuch, in Kiew Direktor des seit sechs Jahren bestehenden Center für Contemporary Art, nichts anfangen. Solcherart Exportwaren haben, besonders Anfang der Neunziger, dem Ruf der Ostkunst mehr geschadet als geholfen. Von Antje Mayer.

Kunst statt KGB

Das Center for Contemporary Art

Seit fast fünf Jahren kämpft der akademisch ausgebildete Maler polnisch-kanadischer Abstammung, einst Solidarnosch-Aktivist in Warschau, nun in der Hauptstadt der Ukraine, um die Etablierung einer lebendigen Kunstszene. Knapp vor dem Ziel, sei er, freut sich der charismatische Intellektuelle. „Wir können in Sachen Kunst hinkend dem internationalem, also westlichen, Vergleich standhalten: Wir sind die beste Galerie für zeitgenössische Kunst im ganzen Land, leider,“ schmunzelt er, „weil wir weit und breit die einzige sind“. Erst im Herbst letzten Jahres hatte das Center, zusammen mit der Österreichischen Botschaft und dem Goethe-Institut, ein international besetztes Medienfestival vom Feinsten hingelegt.

Interessant sei, erzählt Onuch, daß man in russisch- oder ukrainischsprachigen Medien das Wort „contemporary art“ immer in Englisch und in lateinischer Schrift belasse, sie also wie eine westliche Marke, wie Coca-Cola oder McDonald, behandle. Zeitgenössische Kunst sei eben per se westlich, findet Onuch. Ukrainischen Künstlern bliebe, wenn sie international reüssieren wollten, eben nur übrig, sich an westliche Konzeptionen von Kunstmarkt und Kunst anzu-passen, „oder endlich selbst eine Marke zu gestalten“, haut Onuch mit der Faust auf den Tisch. „Wir sind dabei.“

Eine kunsthistorische und mediale Bildung, um die sich das Center, das weitgehend von der Soros Foundation unterstützt wird, mit Workshops und Seminaren bemüht, entwickle sich erst langsam, weiß Onuch. Einige der weit herumgekom-menen „Novy Rusky“, die Neureichen, seien immerhin auf-geschlossene Kunstsammler. Das Interesse sei in der Bevölkerung für Kunst indes sehr groß. Als man vor kurzem eine Andy Wahrhol-Schau in Kiew zeigte, drängten sich die Menschen in Dreierreihen vor den Bildern, manche kamen extra aus Moldawien, um die Ausstellung zu sehen.

Skeptisch verfolgt diese Entwicklung die „Vereinigung bildender Künstler“, eine Art staatlicher Verband, früher stramm parteitreu und bis heute weitgehend dem akademischen Stil verpflichtet, größtenteils KGB-Trash vom Feinsten, wenn man so will. Kein Einzelfall: In fast jedem Land des einstigen Ostblocks üben bis heute solcherart trägen Sowjet-Dinosaurier mit ihren, immer noch perfekt funktionierenden Netzwerken kräftig Einfluß auf die aktuelle künstlerische Entwicklungen aus.

So kräftig, daß sie zum Beispiel in Kiew Platzhirsche wie Jerzy Onuch aus ihrem Revier zu drängen drohen. Anfang 2001 war der Direktor zum Kurator des ukrainischen Biennale-Pavillons in Venedig ernannt worden. Eine Premiere für das junge Land. Siebzig Prozent der Vorbereitungen waren getan, als sich der Verband in einem öffentlichen Brief an den Premierminister wandte, er solle die Geschichte sofort abblasen. Onuch sei doch nur ein „CIA-Agent des Westens“ (sic!) mit einem perfiden Kunstverständnis. Die Apparatschiks hatten Erfolg, obwohl die Künstlerliste international hochpreisig gehandelte Namen wie den bekannten, derweil in Moskau lebenden, Ukrainer Oleg Kulik enthielt. Der wäre in Venedig für die ukraininische Kunstszene, ob akademisch oder zeitgenössisch, ein Zugpferd gewesen. Eine verpasste Chance und ein großer Rückschlag für Onuch, der nun eben nicht in Venedig, dafür aber im Kiewer Center for Contemporary Art den Biennale-Pavillon unter dem Titel „Brand Ukrainian“ noch bis 10. Februar zeigt.



erschienen in Kunstzeitung Nr.66/Febr.02,S.4
> Center for Contemporary Art (engl.)