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Das Motovun Film Festival (MFF) im kroatischen Motovun und Artfilm im slowakischen Trenèianske Teplice setzen auf eine möglichst undogmatische Atmosphäre und ein engagiertes Programm. Während man in Motovun Ende Juli nicht zuletzt wegen des malerischen Ambientes des Dorfes auf viele Besucher hofft, wird beim Artfilm Ende Juni mit touristischem Mehrwert durch die dortige Therme geworben. Dieser Mehrwert ist es denn auch, der diese beiden Events von lokal ähnlich angesiedelten renommierten Festivals wie etwa in Pula oder Bologna unterscheidet. MFF und Artfilm stehen mit ihren ruralen Besonderheiten jenseits globaler Megaplex-Architekturen. Man setzt auf Synergien zwischen Filmkunst und Tourismus. Von Heinrich Deisl.

Ein Kinosommer für alle Sinne

Mit zwei Filmfestivals, im Juni in der Slowakei und im Juli in Istrien, können Cineasten den diesjährigen Sommer begehen.

Film ist aber nicht einfach eine große Traumfabrik, die keinen Anschluss an die Realität hat. Sonst gäbe es wohl Zensurbestimmungen nicht. Film ist auch eine politische Manifestation. Der Output des unabhängigen Kinos gestaltet sich manchmal proportional zum Grad der Repression. So war es wohl nicht nur Zufall, dass 1993 Artfilm und 1999 das MFF gegründet wurden, mit dem Ziel, dem freien ex-jugoslawischen Filmschaffen Vorschub zu leisten.
Zwar erlangte Anfang 1993 die Slowakei die Unabhängigkeit, versank darauf jedoch angesichts einer Flut von Misstrauensanträgen gegen die amtierende Regierung im innenpolitischen Tumult. Dem setzte man den Glamour eines international agierenden Starkinos entgegen.
Durch partikulare Machtinteressen aufgepeitscht, war 1999 im Kosovo das kroatisch-serbisch-kosovarische Pulverfass mit dem NATO-Angriffskrieg als Lunte explodiert. Kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen ging man im nur wenige hundert Kilometer entfernten Motovun daran, ein Festival zu etablieren, das für „Peace, not war“ stand und sogar als „Film-Woodstock“ bezeichnet wurde.
Mittlerweile sind die historischen Wurzeln und die politischen Notwendigkeiten dieser beiden Festivals etwas außer Sicht geraten. Sie haben sich in einen Kanon mitteleuropäischer Kinokultur eingereiht, die durch Lokalkolorit internationale Aufmerksamkeit einfordert.

Motovun liegt im Herzen Istriens. Nach Sonnenuntergang wird eine Woche lang aus dem mittelalterlichen Dorf ein Freiluftkino. Untertags und für das besondere nostalgische Flair wird das für Filmvorführungen adaptierte, im Stil eines alten sozialistischen Varietés gehaltene Theater bespielt. Das von Direktorin Olinka Vištica und Regisseur Rajko Grlic (u. a. „You love only once“, 1981) als künstlerischer Leiter durchgeführte MFF besticht durch seine Zwanglosigkeit. Das MFF verzeichnete 2003 bei 80 Filmen insgesamt circa 30.000 Besucher. In der heuer lancierten Schiene „Partnerländer“ wird Dalmatien vorgestellt. Weiters wurde mit der „Motovun Film School“ in Kooperation mit der Zagreber Filmhochschule ein Workshop vor Ort eingeführt, bei dem ambitionierte Festivalteilnehmer unter Anweisung von Tutoren, etwa Rajko Grlic, selbst zur Kamera greifen können.
Obwohl sich das MFF in der Tradition cinephiler Festivals als nicht kompetitiv versteht, hat die zum zweiten Mal stattfindende Reihe „From A to A“ einen fixen Platz eingenommen. Darin werden Filme mit Regionalbezug zwischen Österreich und Albanien vorgestellt. Wegen enormer Nachfrage musste heuer die Einreichungsfrist für Film-, Video- und New-Media-Beiträge um zwei Wochen verlängert werden. Interessierte Zuhausegebliebene können sich die „Short Film Features“ über „Motovun online“ ansehen.

Während man in Motovun beinahe unweigerlich an Giuseppe Tornatores „Cinema Paradiso“ erinnert wird, könnte Artfilm in der Slowakei wohl einem Fellini-Film entstammen. Schon die Römer hatten die heißen Quellen des Kurorts Trenèianske Teplice nahe der slowakisch-tschechischen Grenze geschätzt. Auch im elften Jahr seines Bestehens lässt Artfilm unter der Ägide von Direktor und Regisseur Peter Hledik durch seinen mondänen Auftritt an die Filmfestspiele in Venedig und ans Hôtel des Bains denken. Letztes Jahr konnten sich mehr als 40.000 Besucher unter anderem bei 130 Filmen vergnügen. Mit „Slovenská Sezóna“ wird dem slowakischen Nachwuchskino entsprechend Platz eingeräumt. Die zusammen mit der Filmakademie Bratislava gestaltete Dokumentarserie „On the road“ darf dabei nicht fehlen, geht es doch nach wie vor um Momente des ewigen „Nicht-Ankommens“ und der Heimatsuche. Das Special ist einem Land gewidmet, aus dem in letzter Zeit eine Vielzahl aufregender Filme kommt: Brasilien.



erschienen im "Magazin für Kontakt d. Erste Bank Group", issue2
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