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Bei der Eröffnung der Ausstellung „Francis Bacon und die Bildtradition“ ( bis 18.1.2004) im Kunsthistorischen Museum war alles da, was Rang und Namen, vor allem aber Geld, Einfluss und geliftetes Gesicht hatte. So viele Bacons (40 Werke) waren noch nie in Wien zu sehen nur ein einziges Porträt aus seiner Hand existiert in der Donaumetropole im Museum Moderner Kunst. Zu diesem besonderen Anlass für Österreich sprach sogar Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Von Antje Mayer.

Francis Bacon im Kunsthistorischen Museum

Die Ausstellung ist herausragend geworden. Den Medienvertretern war es eben darum an diesem Abend unklar, warum die Kuratorin Magistra (!) Babara Steffen es nötig hatte, die Presse im Vorfeld peinlicherweise mit ihrem eigenen Lebenslauf gleichwertig neben Bacons zu befeuern. Weil eine Frau in der Branche immer noch darum kämpfen muss, nicht als kunsthistorische Assistentin abgetan zu werden?
Steffen meisterte ihr Konzept mit Bravour. Und das, obwohl es hochkomplex ist. Das Ouvres des in Dublin geborenen Autodidakten (1909—1992) wird in den Prunkräumen des Kunsthistorischen, in denen sonst die Sammlung präsentiert wird, dem anderer Künstler gegenübergestellt. Eine Art Auftaktveranstaltung von Direktor Wilfried Seipel zur Entstaubung des KHM? Es darf wieder Hoffnung keimen.
Teils sind Werke des Hauses, teils zugeliehene gehängt. Eine Promiparade, die ihres Gleichen sucht; darunter Velázquez, Tizian, Rembrandt, Schiele, Giacometti und Picasso, dazu noch Filme von Eisenstein und BuÑuel. In sechzehn Themengruppen ist die Ausstellung unterteilt, zu denen unter anderen das Papstporträt, das Motiv des Schreis, des Käfigs, des Fleisches und der Kreuzigung gehört. Parallel dazu in Vitrinen, sozusagen als dritte Seh-Ebene, werden die Werke in Bezug gesetzt zu Skizzen, Zeitungsausschnitten und Fotografien aus Bacons Studio. Das war nach seinem Tod übergegangen in den Besitz der Hugh Lane Municipal Gallery of Modern Art Dublin, wo Bacons Atelier wieder aufgebaut steht.
Diese vielschichtige Vernetzung funktioniert. Erstens freilich, weil Bacons Werke im Vergleich mit den Stars der Kunstgeschichte locker standhält. Zweitens, weil Steffen die Bezüge genauso akribisch detailliert ausgehoben wie dann großzügig, unmittelbar und sinnlich inszeniert hat und sich nicht in elitärem und selbstreferenziellen Kunsthistoriker-Jargon verliert. Nicht Bacon wird in den Olymp der Malerei erhoben, eher steigen Tizian, Rembrandt und Konsorten von ihm auf die Erde herab.
So spielte das Publikum bei der Eröffnung erfrischend enthemmt mit kindlicher Begeisterung Detektiv, verglich und erfreute sich an der eigenen unorthodoxen Motivsuche quer durch alle Diziplinen und Epochen. Die Hierachien und Klassifizierungen in der Kunst, die durch Geld (siehe Vernissagepublikum) und durch die wissenschaftliche Disziplin der Kunstgeschichte produziert werden, existieren in Wahrheit nicht. Letztendlich besitzt in der Kunst alles Kontinuität und hängt zusammen. Vor allem aber ist der Betrachter ein wesentlicher Teil von ihr. Diese Erkenntnis barg an diesem Abend für alle offensichtlich etwas Euphorisierendes und Erhebendes in sich. Einer der ganz großen, der ganz guten internationalen Schauen.



Die Ausstellung wird im Anschluss in der Foundation Beyeler in Riehen/Basel von 7.2. bis 20.6.2004 gezeigt.
erschienen in Kunstzeitung Nr.88/Dez.03,S.12
> Kunsthistorisches Museum Wien