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"Ich bin nicht der Typ Kurator, der wie ein Trüffelschwein durch die Welt von einem Atelier zum anderen jettet und aus dem vorhandenen Kunstangebot auswählt", meint die österreichische Kuratorin Stella Rollig (Jahrgang 1960). "Meine Ausstellungen und Projekte entstehen zuallererst am Schreibtisch mit einer Idee." Ihre Arbeit sei eine Mischung aus Schauen, Lesen, Denken, Formulieren, Kommunizieren und Organisieren, erklärt die einstige Bundeskuratorin für bildende Kunst (1994-1996): "Es ist ähnlich wie beim Kochen. Man geht von den besten vorhandenen Produkten aus, entscheidet, was man mag und womit man sich befassen will und macht etwas Neues daraus, das man mit anderen teilt."
Von Antje Mayer.

Stella Rollig

"Neues formuliert" und es mit einem Publikum "geteilt" hat die studierte Germanistin und "Kunsthistorikerin im Nebenfach" während ihrer steilen Karriere indes nicht nur in der Funktion einer Kuratorin. Im Grunde, gibt die gebürtige Wienerin zu, bezeichne sie sich selbst lieber als Autorin, denn ursprünglich wollte sie Schriftstellerin werden. Aber die Frage, wie zeitgenössische Kunst in Bezug auf die Gesellschaft funktioniert, wuchs sich für sie zu einer so interessanten Lebensfrage aus, dass die Theoretikerin die Antworten letztendlich nur in der Kombination von Schreiben und Kunstvermittlung finden konnte.

Das Markenzeichen von Stella Rolligs Texten und Projekten ist, wie es ein Szenekenner einmal nicht ganz ohne Zynismus formulierte, die "überbordende Liebe zum Diskurs". "Meine Idealform ist die diskursive Ausstellung", bestätigt Rollig. "Kunst, die wie Kunst aussieht und sich in einem konventionellen Rahmen einer Ausstellung, wie der Malerei oder Bildhauerei bewegt, interessiert mich dabei am allerwenigsten."

Diese Vorliebe bewog sie auch dazu, 1994 das Depot für Kunst und Diskussion mit Sitz im Wiener Museumsquartier mit Ex-Bundeskurator Wolfgang Zinggl (1997-1999) zu gründen, das sie mit ihm bis heute leitet und im übrigen gerade vor dem Aus rettete. Man wollte der international anerkannten Institution für Kunsttheorie kein Geld mehr geben, mit dem sie sich im renovierten MQ hätte wieder einnisten können. Nach monatelangem Notbetrieb nun hat Kulturstaatssekretär Morak (ÖVP) immerhin knapp eine halbe Million Mark für 2001 locker gemacht.

Als Kuratorin und Autorin war Stella Rollig jahrelang dann auch maßgeblich am "museum in progress" beteiligt, das seit 1990 Kunst in Medien und im öffentlichen Raum ausstellt. Für die österreichische Tageszeitung "Der Standard" schrieb sie vier Jahre regelmäßig Kunstkritiken und für den ORF produziert Rollig seit ihrem Studium bis heute Radiosendungen über zeitgenössische Kunst. Heute schreibt sie vornehmlich als freie Autorin über zeitgenössische Kunst und Theorie.

Ende letzten Jahres erst machte Stella Rollig mit ihrer vielgelobten Videoschau " beim "steirischen herbst" von sich wieder hören, bei der sie vierzig Kunstkonzepte vorstellte, die sich mit dem Frauenbild auseinandersetzen. Wenn sie nicht gerade an irgendeinen Beitrag für einen Katalog oder ein Kunstmagazin schreibt, ihre Vorträge an der Linzer Kunstuniversität zur "Ästhetischen Analyse" vorbereitet oder sich für ein Symposium irgendwo auf der Welt einliest, widmet sie sich ihrem derzeitigen Lieblingsprojekt. Einer großen Ausstellung für den "steirischen herbst" 2002. Um die Beziehung zwischen Künstler und Publikum wird es dabei gehen. Ob Rollig mit solchen Themen den Diskurs über die Kunstszene hinaus zum Kochen bringen kann, ist freilich ziemlich fraglich.



erschienen in Kunstzeitung Nr.58/Jun.01,S.40 und in Kunstjahr 2001