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Von Walter Seidl .

In memoriam Július Koller (1939–2007)

Völlig unerwartet schied der slowakische Künstler Július Koller im Alter von 68 Jahren in der Nacht auf den 18. August 2007 aus dem Leben. Todesursache: Herzinfarkt. Der während seines Lebens stets aktive Sportler hinterließ eines der am konsequentesten ausgeprägten konzeptuellen künstlerischen Œuvres auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei.

1939 in Piešťany, 85 Kilometer von Bratislava entfernt, geboren, studierte Koller von 1959 bis 1965, in der Zeit des beginnenden politischen Aufbruchs und bevorstehenden Prager Frühlings, an der konservativen Kunstakademie von Bratislava Malerei. Die politische Aufbruchstimmung sowie Kontakte zu internationalen künstlerischen Bewegungen, vor allem des Nouveau Réalisme, bewegten Koller dazu, sich vom klassischen Tafelbild wegzubewegen und eine modernismuskritische, von der situationistischen Internationale und den dekonstruktivistischen Ansätzen des Dadaismus geprägte Haltung einzunehmen. 1967/68 entsteht eine Reihe von Bildern, für die Koller weiße Latexfarbe verwendet, um diese auf unterschiedliche Trägermaterialien wie Sperrholz oder Karton aufzutragen. Diese „Anti-Bilder“ weisen in ihrer Ausführung zahlreiche Referenzen an „Drip Paintings“ (getropfte Malerei), den abstrakten Expressionismus und den Tachismus auf, knüpfen jedoch an Kollers Konzept des Anti-Happenings an, das einen Großteil seiner Arbeiten seit Mitte der 1960er Jahre prägte.
In Kollers Manifest des Anti-Happenings von 1965 geht es weniger darum, eine künstlerische Handlung in die Tat umzusetzen, sondern einen Denkraum zu schaffen, in dem das Subjekt zur realen Welt in Beziehung gestellt wird. Im Katalog zu Kollers erster großer Einzelausstellung im Kölnischen Kunstverein 2003 formuliert der Kurator und Kunstkritiker Georg Schöllhammer jenen künstlerischen Ansatz folgendermaßen: „Im Gegensatz zu Duchamps Transposition irgendeines beliebigen Objekts in die Kunstsphäre durch einfaches Displacement, besteht Kollers Strategie darin, reale Objekte, die reale Welt, den Alltag als vorgegebenes Programm zu verwenden.“
Die Verwendung von Alltagsmaterialien in Kollers Bilder zeugt von dem Schritt einer Anti-Ästhetisierung, die die Bilder oft auch in eine dreidimensionale Assemblageform überführen und als installatives Moment im Raum konventionelle Modelle des Displays in Frage stellen. Die Unschärfe des monochromatisch anmutenden Weiß konterkariert ebenso jene Bestrebungen der Minimal Art, Form und Materialität von Kunst in den Vordergrund der (ästhetischen) Erfahrung zu stellen. In diesen Bildern taucht erstmals auch ein Fragezeichen auf, das Koller fortan als immer wiederkehrendes Element in Textarbeiten, konzeptueller Fotografie und Performances einsetzt.
Nach Zerschlagung des Prager Frühlings und dem Beginn der „Normalisierungsjahre“ entwickelt Koller 1970 die Figur des U.F.O.-nauten, in der er als Akteur selbst ins Bild tritt, um in zahlreichen Operationen in einen durch sein Manifest geforderten Denkraum des Subjekts einzutauchen. Dadurch geht Koller einen Weg abseits jeglicher in Europa vorherrschenden politischen Realität und spannt gleichzeitig einen Bogen zu den utopischen Konzepten internationaler künstlerischer Produktionen der sechziger Jahre. Die Konsequenz dieser Haltung, bei der die einzelnen Buchstaben von „U.F.O.“ unterschiedliche Konnotationen annehmen und zu „universellen filosofischen oder fyskulturellen Operationen“ werden, zieht sich durch Kollers gesamte künstlerische Laufbahn und macht sein Werk zu einem der stringentesten der Region.
Július Koller hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich mit „Kontakt – Das Programm für Kunst und Zivilgesellschaft“ sowie „Kontakt – Die Kunstsammlung der Erste Bank-Gruppe“ zusammengearbeitet, viele seiner Arbeiten waren sogar für viele Aktivitäten von uns titelgebend.
Wir bedauern sein unerwartetes Ableben zutiefst, das einen großen Verlust für die Kunstwelt darstellt. Die Sammlung der Erste Bank-Gruppe beinhaltet einen Großteil von Kollers weißen Anti-Bildern sowie zahlreiche Textkarten, Konzeptfotografien, Manifeste und Installationen. Sie will es sich weiterhin zur Aufgabe machen, Kollers Werk international zu präsentieren und in seiner Gesamtheit wissenschaftlich zu erfassen.



Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,November 2007
> Link:REPORT online > Link: Generali Foundation: Julius Koller- > Link: Kunstaspekte: Julius Koller-