Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Die Kronenzeitung war entsetzt: „Als einen Zweig moderner Kunst bezeichnete gestern der Onanist und Notdurftverrichter Günter Brus seine widerwärtigen exhibitionistischen Darbietungen in der Wiener Universität ... Brus zog sich splitternackt aus, sang die österreichische Bundeshymne und schockierte (vor allem die anwesenden Studentinnen) mit unsittlichen Handbewegungen... Von Antje Mayer.

Kunst ist Rausch

Günter Brus Soloausstellung „Werkumkreisung“

Die Kronenzeitung war entsetzt: „Als einen Zweig moderner Kunst bezeichnete gestern der Onanist und Notdurftverrichter Günter Brus seine widerwärtigen exhibitionistischen Darbietungen in der Wiener Universität ... Brus zog sich splitternackt aus, sang die österreichische Bundeshymne und schockierte (vor allem die anwesenden Studentinnen) mit unsittlichen Handbewegungen. Zum Abschluss seiner künstlerischen Darbietung gackte er noch auf den Hörsaaltisch und empfahl sich in einer Wolke von Gestank.“
Bald darauf hin, es schrieb das Jahr 1968, empfahl sich der österreichische Aktionist Brus aber auch sehr schnell aus Österreich. Sein Fluchtziel: Die Stadt Berlin, in der er mit Gerhard Rühm aus Protest die „Österreichische Exilregierung“ gründete und letztendlich ein Jahrzehnt ausharrte.
Zuhause hatte man den gebürtigen Steirer (Jahrgang 1938) für die Universitätsveranstaltung „Kunst und Revolution“, die er damals mit Peter Weibel, Otto Mühl, Oswald Wiener und Franz Kaltenbeck durchzog, zu einer in der Geschichte der Zweiten Republik beispielslosen hohen Strafe für eine Kunstaktion verurteilt: „fünf Monaten schweren Kerker, Fasttage und hartem Lager“. Letzteres für „das Absingen der Bundeshymne beim Onanieren.“
Aus heutiger Sicht kann man sich angesichts des damaligen Wirbels nur schwer das Schmunzeln verkneifen. Dass dem „Onanisten und Notdurftverrichter“ Brus 1996 der Große Österreichische Staatspreis verliehen würde und heuer die mit 18.168.- Euro höchstdotierte österreichische Kunstauszeichnung, der Oskar Kokoschka-Preis, hätte sich damals wohl niemand träumen lassen. Genauso wenig wie sich wohl seinerzeit kaum jemand hätte vorstellen können, dass dem Verfemten anlässlich seines 65. Geburtstag nun die große Solo-Ausstellung „Werkumkreisung“ in der altehrwürdigen Albertina gewidmet war. Bis 18. April macht die Schau derzeit in der Neuen Galerie am Landesmuseum Johanneum in Graz Station, später wandert sie ins Kunsthaus Zug (Sept. bis Okt.), abschließend in die Galleria d’Arte Moderna in Bologna (25.11 bis 30.1.2005). Brus bekannter wie markiger Ausspruch „Der Österreicher hat eine Wichsvorlage: seine Kulturtradition“ dürfte somit salonfähig geworden sein, zumindest aber großzügig verziehen.
Die aktuelle Ausstellung „Werkumkreisung“, mit der die Albertinakuratorin Monika Faber wieder einmal mehr eine ausgezeichnete kunsthistorische Arbeit hingelegt hat, zeigt frühe – noch nie publizierte – abstrakte Zeichnungen, Aktionsskizzen, Filmdokumente, Bild-Dichtungen und späte Buchillustrationen. Auf Großformat projiziert und damit umso eindringlicher sind die Fotos der berühmten Performances, bei denen Brus anfänglich mit Farbe und seinem Körper als Leinwand experimentierte, die später in seinen bekannten Selbstverstümmelungs-Aktionen gipfelten.
„Kunst“, so ließ uns der Aktionist einst wissen, „entsteht im Rausch. Alles andere ist Denkmalpflege.“ Nun ist, Ironie der Geschichte, Brus Lebenswerk selbst Teil derselben geworden.



erschienen in Kunstzeitung Nr.91/ März 04, S.13
> link: Albertina