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Die documenta 11 ist eröffnet! Wer jetzt denkt, er lese falsch, der sei eines Besseren belehrt. Den diesmal beginnt die internationale Kunstschau ein Jahr früher und findet auch nicht vornehmlich in Kassel statt, sondern in Österreich, in Neu-Delhi (Mai 2001), auf den westindischen Inseln (November 2001) und in Afrika (März 2002). Von Antje Mayer.

Uta Meta Bauer: Kunst als Denkraum

"Die documenta braucht eine Neubewertung ihrer eigenen Methodik", heißt es im Programm von Chefkurator Okwui Enwezor und seinen, aus sechs Co-Kuratoren bestehenden Team. Kein einmaliges Megaevent mit Unterhaltungscharakter wie bisher, solle die "Neue" von 8. Juni bis 15. September 2002 in Kassel werden, sondern in fünf diskursiven Plattformen erarbeitet werden. Der Startschuß zur ersten "Wissens-produktion" wurde gerade erst am 15. März in Wien gegeben. Wissenschaftler zermartern sich dort fünf Wochen lang (bis 20. April 2001) über "Demokratie als unvollendeter Prozeß" das Hirn.

Warum gerade in der Donau-Metropole, wird sich so mancher fragen? Ist es die gegenwärtige politische Situation in diesem Land, oder die Nähe zum Osten? Nein, das seien alles keine Gründe gewesen, meint Enwezor in einem Standard-Interview, auf jeden Fall in einem deutschsprachigen Land wollte man freilich beginnen. Ausschlaggebend, so der documenta-Leiter, sei aber letztendlich seine Co-Kuratorin gewesen: Uta Meta Bauer, die Leiterin des Instituts für Gegenwartskunst an der Wiener Akademie der bildenden Künste.

Wer ist diese Frau, zu der nach Wien eine ganze documenta angereist kommt? Als ausgezeichnete Kennerin der Kunstszene mit sicherem Gespür für aktuelle Themen, gilt die 42jährige Kuratorin und Theoretikern allemal. Und was Enwezor am meisten beeindruckt haben dürfte, seit Jahren setzt sich die ehemalige Leitern des Künstlerhaus Stuttgart (1990 bis 1994) für ein Crossover zwischen aktueller Kunst, Theorie und sozialen Themen ein. Aufgefallen in Sachen documenta ist Bauer, die als unerschütterliche Trägerin der obligator-ischen Szene-Schwarz gilt ("mit Heiner-Müller-Brille", wie ihre Studenten zu feixen pflegen), schon 1992 auf der Kassler One-Man-Show von Jan Hoet, als sie mit Sandra Hasen-teufel und Tine Geissler einen Raum anmietete und das Kuratorenprinzip bereits damals kritisch hinterfragte, indem sie einen "Informationsdienst" über Künstlerinnen ein-richtete.

Anfang der achtziger Jahre, während der Ausbildung in visueller Kommunikation und Bühnenbild - an der Hochschule der bildenden Künste in ihrer Heimatstadt Hamburg -, grün-dete die Karrierefrau mit sechs Kommilitonen den Verein der Stillen Helden e.V.. Schon ehedem förderte die Gruppe junge Kunst, fern gewohnter Grenzen, in denen nur einige wenige Talente geniale Werke schaffen. Für die Sechs war Kunst vielmehr ein Denkraum, der sich genauso in der Pop- und DJ-Kultur, im World Wide Web, oder in den Medien äußert. Diesen Kunstbegriff lehrt Uta Meta Bauer seit 1996, am von Arnulf Rainer Anfang der Achtziger gegründeten Institut für Gegen-wartskunst, ihren Studenten mit international viel beach-teten Engagement.

Meta Bauers Ansatz trifft sich bestens mit dem von Enwezor, soviel ist klar. Welche Künstler das Team letztendlich für Kassel auswählt, verrät die Kuratorin indes noch nicht. Aber wetten, daß keine Bildhauer und Maler auf ihrer Favoriten-liste stehen. Pop- und DJ-Kultur? Man wird sehen, oder vielmehr hören in Kassel.



erschienen in Kunstzeitung Nr.56/Apr.01,S.8