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Bei ihr, der bald schon 300 Jahre alten Tante Dorothea, hatte einst - so sagt man- schon der österreichische Kaisersohn Joseph II. seinen Hut versetzen versucht. Die Geldnot trieb ihn freilich nicht zum Pfänder. Vielmehr hatte der Aufklärer Zweifel, ob das „Versatz- und Fragmentamt zu Wien“, später „Auktionshaus Dorotheum“, auch den Armen helfe. Daß da nur mehr der Familienschmuck für die Spielschulden der Wohlhabenden über die Theke ging, war in seinen Augen inakzeptabel. So gab er 1787 die Order: fürderhin stehe das Haus allen Bevölkerungsschichten offen. Von Antje Mayer.

Dorotheum fit für die Privatisierung?

Vom Pfandamt zum weltgrößten Auktionshaus

Gutes tun, das zahlt sich aus, von Schulden anderer leben noch viel mehr. Und so ward’s auch bald geschehn: trotz staatlicher Ungelenkigkeit mauserte sich das Dorotheum, gemessen am Umsatz, neben Sotheby's und Christie's, zu einem der größten Auktionshäuser der Welt mit 650 Versteigerungen pro Jahr und über 500 Mitarbeitern.

Angesichts der nicht abrechen wollenden Wertsteigerungsphase des erfolgreichen Hauses, hat nun Madame Blut geleckt. Die Börse ruft. Und vorher wird die alte Dorothea noch privatisiert. Das sei, wie der österreichische FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser kürzlich verkündigte, mittlerweile beschlossene Sache. Indes nicht überfordern will sie sein Generaldirektor Alfred Karny. Die Dame sei mehr als rüstig, doch reif für den Schritt in die Freiheit noch nicht: allein die offenen Fragen der Restitutionen an enteignete jüdische Besitzer, während der Nazizeit, bräuchten noch Zeit. Ginge es nach ihm, sollte der Staat indes so schnell wie möglich die „absurde“ (Karny) zweiprozentige Versteigerungsabgabe für den „Armenfond“ abschaffen. Eine uralte Verordnung von 1751, die das Dorotheum, wie alle städtischen Auktionshäuser der Gemeinde, Wien seither zahlen muß. Sozial ist bei Dorothea eben nicht mehr viel.

Derweil feiert die Angejahrte ihren zweiten Frühling: Ganz zeitgemäß prescht sie in den umkämpften Kunstmarkt vor:
unter www.OneTwoSold.at ermöglicht sie seit heuer rund um die Uhr Internet-Versteigerungen. Seit letztem Jahr kooperiert sie mit ebay, dem größten virtuellen Auktionshaus der Welt. Schon in den ersten Online-Tagen bei ebay gab es unzählige Anfragen, insbesondere aus den USA und Kanada. Umgerechnet drei Millionen Mark Umsatz will Alfred Karny, angesichts des Starterfolges, heuer schon per Mausklick-Auktion reinholen.

Übrigens: Wer, so heißt es auf der Internetseite des Dorotheums, einen kurzfristigen Kapitalbedarf überbrücken wolle, könne natürlich immer noch wie anno dazumal, anonym und unbürokratisch, gegen Hinterlegung eines Pfandes einen Kredit erhalten. Ob man dabei auch seinen Hut versetzen kann?



erschienen in Kunstzeitung Nr.46/Jun.00,S.24
> Dorotheum Wien