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Von Antje Mayer.

15% Bildende Kunst, 35% Performance

Veronika Kaup-Hasler ist neue Intendantin des "steirischen herbst"

„Die Arbeit eines Vorgängers (Peter Oswald, Anm. d. Red.) kann kein Ausgangspunkt für eine Konzeption eines Festivals sein. Das wäre wirklich zu langweilig“, findet Veronika Kaup-Hasler, neue Intendantin des Grazer Avantgarde-Festivals steirischer herbst (21.9. bis 15.10.2006). Dass sie sich unter 66 Bewerberinnen durchgesetzt hatte, wundert einem spätestens dann nicht mehr, wenn man ihr persönlich gegenübersitzt. Die junge Mitdreißigerin, Mutter zweier Kinder, verheiratet, ist sozusagen die Antithese zum angegrauten, wiewohl ständig schlechtgelaunten, und eitel monologisierenden Kulturmanagertypus, dem man landauf landab begegnet.
Die 1968 in Dresden als Tochter einer ostdeutschen Sängerin und eines österreichischen Schauspielers geborene Wienerin hat den geistreichen Charme, Humor und die Verve für die Sache, die man im ruhmsüchtigen Kunstzirkus zuweilen schmerzlich vermisst und sie hat Appeal. Eine Menge. Aber das tut nichts zur Sache. Oder doch? Auch wenn sich die vier Leitmotive „Kollaboration, Kontrolle, Teilhabe und Offene Quellen“ etwas sperrig geben, ein Blick ins frech designte Programmheft beweist es: Durch die mittlerweile ziemlich in die Jahre gekommene Festivalinstitution steirischer herbst, die bald, 2008, ihren vierzigsten Geburtstag feiert, weht ein frischer Wind.
„Diesem Spielplan sind unglaublich viele Gespräche mit Künstlerinnen vorangegangen, aus denen sich dann Projekte entwickelt haben, die zu einem großen Teil trans- und interdisziplinär sind, was der aktuellen Entwicklung in der zeitgenössischen Kunst ja auch entspricht“, findet Kaup-Hasler. „Das Spartenübergreifende hebt letztlich den steirischen herbst aus einem spezialisierten Festivalzirkus hervor. Wir versuchen keine fertigen Produktionen einzukaufen, sondern produzieren überwiegend eigens für den steirischen herbst. Bereits jetzt steht fest, dass einige von den Arbeiten im Anschluss international gezeigt werden, was uns sehr freut.“
Um ihrem neuen Kurs Ausdruck zu verweilen, hat die neue Intendantin mit Dreijahresvertrag bis Ende 2009 jedem Event im Programmheft -freilich ironisch gemeint- einen „amtlichen“ Stempel verpasst. So verfügt etwa die „Camp-Show-Steiermark“, eine Wohnwagen-Karawane mit Künstlern aus aller Welt, die durch das Grazer Umland tingelt und sich unter anderem als britische Kleinfamilie auf Campurlaub tarnt, über 35% Aktion, 15% Bildende Kunst, 35% Performance und 15% Film. Es soll Künstler gegeben haben, die ernsthaft auf eine Umverteilung der Prozentpunkte beharrt hatten. Humor und Kultur -wies scheint- ist eben immer noch ein ungewohntes Paar.
Es mag verwundern, dass heuer weder dem Ressort „Musik“, wie es ihr Vorgänger Peter Oswald hielt, noch dem des „Schauspiels“ ein besonders auffällig großes Augenmerk geschenkt wird, kommt doch Veronika Kaup-Hasler ursprünglich vom Theater. Sie arbeitete unter anderem als Dramaturgin am Theater Basel und unter Schauspieldirektor Luc Bondy bei den Wiener Festwochen. Dass sie organisieren und programmieren kann, bewies sich die vergangen vier Jahre als künstlerische Leiterin des Festival Theaterformen in Braunschweig und Hannover.
Ob das interdisziplinäre Experiment in Graz, auch schon wegen der bescheidenen drei Millionen Euro Gesamtbudget, gelingen wird, ist für Kaup-Hasler übrigens nicht wichtig: „Auch die ständige Überforderung und das Scheitern muss sich ein Festival wie der steirische herbst zuweilen leisten können.“ Wenn was schief geht, und das muss es, dann passiert das wohl zumindest charmant.



Artikel erschienen in der Kunstzeitung Nr. 9/2006
> Link:Kulturserver Graz/Camp-Show Steiermark > Link:Kunstzeitung- > Link:steirischer herbst- > Link:Kunsthaus Graz/Veronica Kaup-Hasler-