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Sie solle keine Kumpanin der Niedertracht werden, appellierte der Vorarlberger Schriftsteller Michael Köhlmeier in einem offenen Brief an die österreichische "Bildungs- und Kulturministerin" Elisabeth Gehrer (ÖVP): "Wenigstens Sie nicht! Wer mit denen geht, der macht sich dreckig. Und wer dafür sorgt, daß denen Regierungsmacht gegeben wird, der macht das ganze Land dreckig!" Von Antje Mayer.

Kreativwirtschaft

Neue

Elisabeth Gehrer (58), die noch im Herbst 1999 vollmundig verkündete, keinen Ministerposten in einer Regierung mit der rechten FPÖ annehmen zu wollen, hatte den Ekel vor politischem Schmutz schnell abgelegt: "Es gibt einen Tiroler Spruch, der besagt", hatte sie Köhlmeier geantwortet, Am leichtesten ist es, davonzulaufen, wie der Dreck vom Stecken' Der leichtere Weg für mich wäre, alles hinzuschmeißen." Leichter vielleicht, aber eingeschlagen hätte das wie eine Bombe. Jedoch: dem ohnehin vereinsamten Wolfi (Schüssel), als deren enge Beraterin sie gilt, hätte sie die Schmach nicht antun können. Den Weggang, einer fähigen und beliebten Politikerin ihres Formats, hätte die derzeitige "Regierung in Ungnaden" nur schwer verschmerzt.

Fünf Jahre war die ausgebildete Lehrerin Elisabeth Gehrer unter einer rot-schwarzen Regierung Unterrichtsministerin gewesen, jetzt bürdete man ihr zusätzlich die Bereiche Universitäten und Kunst auf. Einen eigenen Kulturminister gibt es in Österreich nicht, lediglich einen Kulturstaatssekretär, den Burgschauspieler Franz Morak. Damit herrschen im Alpenländle die Zustände der Zeit vor 1970. "Ich glaube nicht, daß man ein Minister haben muß, der sich ausschließlich um die Künstler kümmert. Ich nehme an, daß das den Künstlern bald lästig wäre", sagte sie, vor ihrem offiziellen Amtsantritt im Februar in einem Interview des Wochenmagazins Format.

Elisabeth Gehrer, in Wien geboren, Mutter dreier erwachsener Söhne und ihres Zeichens Pfadfinderin, sieht das pragmatischer: Betreuung kostet. Geld für Kunst ist immer rar, also sollen private Sponsoren in Hinkunft Kunst fördern. Anreiz: die Stütze ist steuerlich absetzbar. Kulturförderung soll nicht mehr allein Sache des Staates sein, um, so heißt es Grundsatzprogramm der ÖVP, "die Kulturschaffenden nicht in Abhängigkeiten von staatlichen Geldern zu führen." Das ist elegant formuliert, soll jedoch heißen, daß die amtierende Regierung nicht mehr so viel wie bisher für Kunst ausgeben möchte und angesichts des selbst auferlegten Sparprogramms auch nicht kann. Um umgerechnet knapp 10 Millionen Mark wird das Kunstbudget dieses Jahr in Österreich gekürzt werden.

Das Lieblingskind der neuen "Kulturministerin" ist eine Nationalstiftung, mit deren Hilfe sie schneller und flexibler Kulturgüter aus dem Ausland ankaufen will. Film und Medien, für Gehrer "Kreativwirtschaft", übersetzt Kreativität, die dem Land finanziell auf Umwegen auch wieder was einbringt, soll stärker unter die Arme gegriffen werden. Die Pflege des österreichischen Kulturgutes und die Stärkung der Volkskultur liegen der neuen Regierung - im Gegensatz zur zeitgenössischen Kunst- jedenfalls sehr am Herzen.

Kaum im Amt, wurde Elisabeth Gehrer auch schon die Ehre zuteil, an einer Performance (ohne staatliche Förderung) international renommierter, zeitgenössischer Künstler, wie Paul McCarthy, Heimo Zobernig, Joseph Kosuth und John Baldessari teilzunehmen. Bei einer Anti-Schwarz-Blau-Kunstaktion der Secession vor zwei Monaten, sah man auf dem kunsthistorisch, einschlägig bekanntem Gebäude in großen Lettern "Der Kunst ihre freiheitliche. Der Zeit ihre Kunst". Im Inneren gab's eine kleine Installation dazu. Auf einem Sockel lag das Liederbuch "Sing mit uns", das die ÖVP letztes Jahr herausgegeben hatte. Auf dem Cover Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, die Ziehharmonika bearbeitend und Elisabeth Gehrer - Querflöte blasend.



erschienen in Kunstzeitung Nr.45/Mai 00