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Die documenta 11 gibt sich ehrgeizig. Schon im Vorfeld war sie die bisher örtlich ausuferndste Schau mit ihren vier Plattformen, unter anderem in Wien, Berlin, Neu Delhi, St. Lucas und Lagos. Nun wird auch in Kassel räumlich geklotzt. Von Antje Mayer.

documenta IX baut aus

Kühn Malvezzi, die Architekten der D11

Neben den bekannten Häusern, der Kunsthalle Fridericianum, der Karlsaue, der documenta-Halle und dem Kulturbahnhof, bespielt die Documenta11 heuer auch die ehemalige Binding-Brauerei in der Hafenstrasse, die vom Hauptplatz per Shuttlebus oder in 15 Gehminuten erreichbar ist. Mit seinen 6.000 Quadratmetern wird der, teilweise unter Denkmalschutz stehende, industrielle Backsteinbau einer der Hauptstandorte der Schau darstellen. Somit ist –zumindest gemessen an der Ausstellungsfläche- die diesjährige Kunst-Olympiade die bisher umfangreichste.

Bespielbare Räume für 118 Künstler und für deren höchst heterogene Programme -mit naturgemäß reichlich multimedialen Mätzchen- zu schaffen, war für die drei jungen documenta-Architekten. vom deutsch-italienischen Büro Kühn Malvezzi, kein leichtes Unterfangen. Viel hatte das Team, das Hamburger Brüderpaar Wilfried (Jahrgang 1967) und Johannes Kühn (1969) und die Mailänderin Simona Malvezzi (1966), mit Sitz in Wien (seit 2001) und seit diesem Jahr in Berlin, bisher noch nicht im Kunstbereich realisiert gehabt. Das Wenige, wie die Neugestaltung des Foyers und des Leitsystems der Schirnhalle Frankfurt, wie auch die Ausstellungsarchitektur für die dortige Schau „Die Visionen des Arnold Schönberg“, zu dem ihnen Wiener Liasonen verholfen haben dürften, fiel dafür der documenta-Leitung positiv auf. Sie lud zum kleinen, internen Wettbewerb und Kühn Malvezzis Konzept gewann.

Während die Drei die documenta-Halle mit einem neuen Raum im Untergeschoss oder den Kulturbahnhof durch Verstellung von störenden Fenstern nur marginal verändern mussten, war die Binding-Brauerei für die Kunst völlig umzukrempeln. Am Eingang, der auf die Gebäuderückseite verlegt wurde, begrüßt ein neues Leuchtdach mit Schriftzug und eine Art „Foyer im Freien“ die Besucher. Von da gelangen diese in eine sehr klassische, sehr schlichte Ausstellungssituation mit bis zu 120 m² großen White cubes mit hohen Decken, die sich durch stark untereinander vernetzte, teilweise bis zu vier Meter breite Gänge erschließen.

„Der Effekt ist der Eindruck einer kleinen Stadt in einer historischen Hülle. Wir wollten bewußt keine Architektur, die selbstdarstellerisch gegenüber der ausgestellten Kunst prahlt“, so der Architekt Wilfried Kühn. „Die Anforderung von Enwezor war, einen ‚Fluß der Räume’ zu schaffen. Räume, die möglichst generisch und keinesfalls zu spezialisiert sind. Die große Medienvielfalt heuer verlangt uns diese Disziplin ab.“ Lange, graue, bis zu vierzig Meter lange Bänke, mit über zwei Meter hohen Lehnen, in den vorwiegend kunstfreien Gängen, sind dabei das einzige „graphische Zeichen“, das sich die Architekten im Innenraum leisten.

Ob der Ort als Ausstellungsraum nach Ablauf der documenta IX weitergenutzt werden soll, ist indes noch nicht entschieden: „Das Gebäude gehört der Binding-Brauerei. Die wird das letztendlich mitzuentscheiden haben“, so Wilfried Kühn.



erschienen in Kunstzeitung Nr.70/Jun.02,S.28
> Dokumenta 11