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In Wien hängt man traditionell die größte Zeit seines Lebens in Gaststätten ab. Ein richtiger Österreicher hat das "Im Lokal-Versumpern" (bedeutet ungefähr soviel wie "Im Lokal-Sich-Selbst-Vertrödeln") mit der Muttermilch aufgesogen. Daß an der Donau vor allem das Kaffeehaus von jeher als Wohn-zimmerersatz diente, dürfte allgemein bekannt sein. Von Antje Mayer.

Wien, wie es is(s)t!

Lokalführer Wien

Ein Künstlerlokal ist in Wien fast jedes, denn in der Hauptstadt ist irgendwie jeder ein Künstler, zumindest ein Lebenskünstler, auf alle Fälle aber künstlerisch ambitioniert oder er kennt einen. Wenn in einer Bar doch vorwiegend nur Business-Schickis verkehren sollten, dann ist die Location unter allen Umständen zumindest von einem „Künstler-architekten“ designt. Wenn man vor seinen Freunden etwa mit seinen Architekturkenntnissen angegeben will, nennt man, wenn das Gespräch auf den Designer kommt, einfach einen dieser zwei Lokalmatadore: „Eichinger oder Knechtl“ (u.a. neues Kunsthallen-Café im Museumsquartier), Hermann Czech (u.a. MAK-Café, Theatercafé neben dem Theater an der Wien). Garantiert: Die Trefferquote wird beeindruckend ausfallen.

In diesen gestylten Bars, im österreichischem Konsensdesign, eine Prise Beisl, ein Hauch Werkstatt mit einem Schuß Adolf Loos-Eleganz, hängen vor allem alternde Architekten, schwarz behütete Staatsmaler und ständig mies gelaunte Intendanten herum. Die wollen sich die auserlesene Weinkarte und die ambitionierte Küche, und die ist leider immer ähnlich auser-lesen und ambitioniert, leisten. Zu solcherart Treffpunkten zählen die Restaurant-Bar Wrenkh (vegetarisch, Bauernmarkt 10, 1.), das renovierte Palmenhaus vor der neuen Albertina (beides Eichinger oder Knechtl) und das Kleine Café (von Hermann Czech, Franziskaner-platz, 1.), das sogar einem Künstler gehört, dem Schau-spieler Hanno Pöschl. Eine archi-tektonische und kulina-rische Ausnahme ist das kürzlich erst eröffnete "Expedit" (Biber-Ecke Wiesingerstraße, 1.), ein ständig volles Szenerestaurant, das sich selbst als
"Gastronomisches Verkaufslager für ligurische Spezialitäten" bezeichnet. Genauso sieht es dort aus und es schmeckt dafür königlich.

Die künstlerisch ambitionierte Masse trifft sich woanders. In den alten Kaffeehäusern "Museum" am Karlsplatz (wegen seines schlichten Intérieurs von Adolf Loos von der Presse einst als "Café Nihilismus" verspottet), im Kenner-Café Korb(Brandstätte 9, 1.), in dem die Peter-Weibel-Muse und Performancekünstlerin Susanne Wiedl das Zepter führt oder ins gute, alte "Sperl"(Gumpen-dorferstraße 11, 6.). „Place to be“ ist etwa das vergammelte Café Anzengruber(Schleif-mühlgasse 19, 4.). Eine skurrile Mischung aus Beisl und Kaffeehaus unter kroatischem Regiment, Nähe Naschmarkt. Bei einem „Plavac“-Wein oder Bier und einem Wagenrad von dünngeklopftem Wiener Schnitzel oder einem deftigen Gulasch (in Wien neben der Buttersemmel das billigste Gericht. Macht satt!), entspannt dort die Szene beim Billardspielen oder kollektivem Fußballschauen.

Gegen Mitternacht geht man um die Ecke, in die cool nicht-designte Schickanederbar(Magaretenstraße 24, 4.), mit wechselnder Schaufensterauslage, Flohmarktsesseln und DJ-Musik. Einer der amüsantesten Kontaktbörsen Wiens, in die sich neben faden Webdesignern (in Wien natürlich Künstler), lustige Studenten von der Kunstakademie verirren und deren junggebliebenen Assistenten.



erschienen in Kunstzeitung Nr.59/Jul.01,S.15
> Theatercafé,Wien > Kunsthalle Wien- > Museumsquartier, Wien- > Wrenkh/Restaurant-Bar- > Palmenhaus - Restaurant, Wien- > "Kleine Café", Wien- > Expedit- > Café Sperl,Wien-