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Erkennen Sie Ihren Staubsauger an seinen Geräuschen? Warum soll eine Limousine möglichst unhörbar sein aber die Roadster - Version desselben Autotyps soll einen röhrenden Motorsound verbreiten? Wenn es darum geht, ein Produkt an die Frau/den Mann zu bringen, wird nichts dem Zufall überlassen und schon gar nicht bei der verkaufsfördernden Emotionalisierung durch Musik. Musik als Sounds und Klänge sind überall und machen auf mehr oder weniger unterschwellige Art die schöne neue Warenwelt akustisch erlebbar. Von Heinrich Deisl.

Sounds & Brands

Erkennen Sie die Melodie? Wenn aus Sounds Marken werden

Es ist zumindest im asiatischen Raum eine Jahrhundertealte Tradition, die Natur zum Klingen zu bringen. In China hielt man sich besonders »gestimmte« und aufeinander eingespielte Singvögel. Japanische Klanggärten setzen mit ausgetüftelt platzierten Klangquellen für Wasser und Wind bewusst auf entspannendes Sounddesign.

In der zeitgenössischen Installationsmusik werden derartige Effekte ebenso genutzt: Beliebt sind Klangparks etwa in Kaufhäusern, die mit imitiertem Vogelgezwitscher nicht nur einen Ort der Stille generieren sondern überdies zum Verweilen und Flanieren einladen. Diese Blase ruraler Beschaulichkeit ist am besten mit auditiven Signalen kartografierbar. Man geht herum, lässt sich mittels eines ausgeklügelten akustischen Leitsystems führen und hat so praktisch en passant die Shopping-Mall nicht nur durchquert sondern auch durchstöbert.

Hier kommt das fragile Beziehungsgeflecht zwischen Musik, Produkt und Konsument zum Tragen. Musik als verkaufsanimierender Stimulus wird instrumentalisiert für eine Erhöhung der emotionalen Kundenbindung, für eine Zielgruppengerechte Ansprache und schließlich zur Stärkung der Aufmerksamkeitswirkung von Werbung.

Musik hat darüber hinaus etwas mit Jugendlichkeit und Ungezähmtheit zu tun. Reize also, die heutzutage nur zu gerne als paradigmatisch gelten. Wer es gesetzter mag, setzt auf eine Überlandlimousine, die selbst bei 170km/h keinen Mucks von sich gibt und erfahrbare Sicherheit ausstrahlt, so sicher wie ein Schweizer Bankkonto.

Der Ringtone, dein Freund. Distinktionsgewinnler aller Welt, ladet euch den neuesten Ringtone runter

Wie gut dieses Geschäft mit der Funktionalisierung von Musik läuft, lässt sich allein schon an Dieter Bohlen, dem heimlichen »Macher« der ersten Staffel von »Deutschland sucht den Superstar« im vergangenen Jahr erkennen. Mit der Lizenzierung der Kennmelodie der Show für Handyklingeltöne hatte sich Deutschlands erfolgreichster zeitgenössischer »Komponist« wieder mal eine goldene Nase verdient.

So ein Klingelton kostet rund 3Euro und kann über jede bessere Handyanbieter-Homepage, bei Viva, MTV und sonstigen Jugendorientierten Formaten per SMS bezogen werden. Aus dem großen Repertoire der aktuellen Hitproduktionen wird direkt eine Mehrwert-Nutzung betrieben. Das ist praktisch, da zwar die Lizenzgebühren zu entrichten sind, die Tantiemen aber nicht. Damit kann man das Handy individuell gestalten. Angeblich. Wie individuell kann es schon sein, wenn sich jeder Britney-Spears-Fan die Kennmelodie ihres aktuellen Hits »Toxic« aufs Handy lädt?

Weiterer Vorteil dieser Merchandise - Restposten-Verwertung: Wenn die Bindung zwischen Fans und potenziellen Download-Kunden nur gut genug funktioniert, dann potenzieren sich diese »Peanuts« der Klingeltöne zu einem immensen Nebengeschäft. Die Wirtschaftschecker des Managementberatungs-Unternehmens A.T. Kearney stellten in einer Fachstudie im März 2004 fest: »Bereits heute übertreffen die Klingelton-Umsätze den CD - Single - Verkauf. Die Mobilfunkanbieter erwirtschaften mit dem Download von Klingeltönen fünf Prozent des gesamten traditionellen physischen Musikumsatzes und übertreffen damit bereits die Umsätze, die mit dem Verkauf von CD-Singles gemacht werden«.

Na, wenn das mal nicht ein Gegengewicht zur Absatz-Tristezza der Plattenindustrien darstellt. Also vielleicht doch auf moderne Kommunikationstechnologie setzen: Es wäre ja wohl zu doppelbödig, die Ringtone-Verwertung zu befürworten und dafür aber im Gegenzug den Internet-Musikdownloadern teure Copyright-Rechtsanwälte auf den Hals zu hetzen. Also einigt man sich darauf, dass jene Technologie gut ist, die, und das ist der entscheidende Unterschied in der kurzsichtigen Verwertungslogik der Majors, nur mittelfristig Umsätze einfährt.

Handyhersteller und Netzwerkbetreiber sind ob des personalisierten Klingeltons - oder, wie es in Neusprech heißt: »der coole Ringtone« – schwer daran interessiert, dieser Entwicklung Vorschub zu leisten um irgendwann den Zustand zu erreichen, dass man die Marke des Herstellers oder des Netzbetreibers akustisch erkennen kann. Aber man braucht gar nicht in die Ferne schweifen: Wenn Ringtones angeboten werden, die auf die Produktbezeichnungen »Bellen«, »Gackern« oder gar »Rülpsen« hören, dann ist das ja wohl gelebte Personalisierung par excellance.

Freuen wir uns auf eine der nächsten Sitzungen, wenn vergessen wurde, das Handy auszuschalten und es plötzlich zu gackern anfängt. Oder wenn bei der TV - Live - Übertragung der Angelobung des nächsten österreichischen Bundespräsidenten das Handy eines Ministers losrülpst. Was könnte überzeugender sein, sich als Individualist zu outen?

Feinstimmen des Produkts

Der One Smart Space in Wien hat sich für 2004 vorgenommen, »Sound in sämtlichen Facetten« zu beleuchten, wie die zustände Referentin Beatrix Roidinger wissen lässt.

Da kam zum Einstieg der Serie das Thema »Sounds& Brands« gerade Recht, ging es doch hier massiv darum, wie man das hochemotional aufgeladene Medium Musik für akustisches Produktdesign nutzbar macht. Sound - Engineering oder Akustik Design nennen sich die Methoden der Verwendung von Klang und Musik für Markenführung und Produktgestaltung. Audio Identity heißt das dann und lässt sich zwischen den Parametern »High Involvement« und »Company Value« abbilden.

Es geht um die Funktionalisierung von Sounds und Musikpartikeln. Bekannteste Beispiele sind wohl die Signations und Jingles in TV und Radio. Manche nutzen ebenso »Fahrstuhlmusik« für ihre Zwecke und sagen »Muzak« dazu. Und schließlich: Der Musiker Brian Eno prägte 1978 mit seiner Platte »Music For Airports« das Genre der Ambient-Musik. Eno postulierte, dass diese (hochkomplexe) Musik »as intesting as ignorable« sein sollte. Ein extrem hoher Anspruch ist das, wenn man Derartiges ernsthaft betreiben will.

Das Acoustic Design lässt sich als die mit praktischem Anwendernutzen kurzgeschlossene Ausformulierung der Theorien zur »Musique d’Ameublement« von Erik Satie lesen: Die Funktionalisierung der Musik und der Sounds passiert nicht als orchestrale Choreografien sondern als schwerst rationalisiertes und effizientes »Fine Tuning« am Produkt.

Markenbewusstsein

Diese Ansätze kommen von musikalisch - künstlerischer Richtung. Für Produktdesign, das keine künstlerischen sondern marktwirtschaftliche Absichten verfolgt, zeigt sich das Thema so: »Heutzutage muss das Produkt immer mehr auf die Kundenwünsche zurechtgeschnitten sein. Akustische Reize sind dafür enorm wichtig«, stellt Dr. Gerhard Thoma, seines Zeichens Physiker und Leiter der sage und schreibe 160 Angestellte umfassenden Abteilung für Soundentwicklung und Akustikprojekte bei BMW München bei »Sounds& Brands« fest.

Da kann das Auto noch so sicher sein, die Autotür muss beim Schließen ein vertrauenserweckendes »Blop« (© G. Thoma) machen und darf nicht blechern klingen. Was sich trocken als »Kundenwunsch-Folgeverhalten« liest, ist jener akustisch-haptische Schlüsselreiz, der letztendlich über Kauf oder Nichtkauf entscheidet. Da kann jede Detailstudie über Fahr - Sicherheitsverhalten und Kurvenschnittigkeit dagegen einpacken. Was der Mensch fühlt, wenn er ein Geräusch hört, wie er das Rauschen, Klacken, Summen und Brummen bewertet und warum er sich in dem einen Auto wohlfühlt und in dem anderen nicht, das gilt es herauszufinden, hierfür sollen bei BMW wissenschaftlich gesicherte Größen definiert werden.

Anders stellt sich die Situation bei Medienunternehmen dar. Stimmen, Signations und Jingles fallen in die Kategorie »Verpackungselemente« und werden zu dem Audiologo des Senders. Mag. Gustav Lohrmann, zuständig für Audio Branding und Sounddesign im ORF: »Die Corporate Audio definiert sich bei uns über die Stimmen der Moderatoren und über die Musik. Lokale Färbungen sind hier extrem wichtig«. Sagt’s und spielt die Stimmen von Sepp Forcher und Gerhard Seeger über die Smart Space-Anlage ein. Einmal starkes Lokalkolorit, einmal Sportjournalismus. Man sieht förmlich, wie die Berge zu klingen beginnen und die Skifahrer die Piste runterjagen. Und schließlich leben wir in Österreich und deswegen ist - wie könnte es anders sein – für die Kennmelodie der meistgesehensten Informationssendung des ORF, der ZiB, die Verarbeitung des guten alten Donauwalzers als Signation gerade gut genug.

Warum aber die Signation von FM4 und wohl der »Jingle« schlechthin inklusive höchster vorzustellender Emotionalisierung, nämlich Edi Fingers »Tor, Tor, i wird’ narrisch« von Cordoba 1978, den Zuhörern vorenthalten blieb, entzieht sich unserer Kenntnis.

Nach diesem Abend ist zwar noch immer nicht klar, mit was sich die Produkt-Sounddesigner wirklich beschäftigen und vor allem wie sie’s machen. Betriebsgeheimnis. Es ist also alles andere als leicht mit der »Easy Listening Music«, egal ob es sich dabei um Autoblinker, Fahrstuhlmusik oder Staubsauger handelt. Aber das Jahr geht seinem Ende zu im ONE Smart Space...



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