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Von Antje Mayer.

„Es gibt keine typische slowenische Kunst“

Über ein kleines Land mit großen Künstlern

Igor Stromajer, Medienkünstler aus Ljubljana und Betreiber der intermedialen Plattform „intima.org“, macht sich keine Illusionen:„Es gibt keine typische slowenische Kunst. Sie ist in jeder Hinsicht globalisiert. Die Kunstwelt ist doch längst ein geschlossenes System, das nur noch über seinen eigene Ideen masturbiert und keinen Einfluss auf das normale Leben der Menschen hat. Warum sollte das in Slowenien anders sein als anderswo?“ „Unser Land ist so klein, unsere Küste so kurz“, erzählt Igor Stromajer weiter, „dass wir mit zwischen den Zähnen geklemmten Reisepass schwimmen müssen“. Slowenien, so der Künstler, habe von jeher, wegen seiner geografischen Lage als Transitland und allein wegen seiner Größe Probleme einer eigenen Identität zu definieren, da helfe es auch nicht, dass es seit Anfang des Jahres als erstes EU-Beitrittsland die Ratspräsidentschaft inne hat. „Es gibt eigentlich nichts, was spezifisch slowenisch ist: keine typische Kunst, keine Speise, keine spezielle Landschaft, kein eigener Baustil. Vielleicht funktionieren wir deshalb so gut als Musterschüler der EU, weil wir immer europäisch, multikulturell, interkulturell, transkulturell waren“, so der Medienkünstler. „Meine Großmutter fragte mich beim EU-Beitritt 2004 nur lakonisch: Gehören wir nicht seit sieben Jahrhunderten zu Europa?“
Nicht ganz so kulturpessimistisch sieht das Alenka Greorgič, künstlerische Leiterin der legendären Galerie Škuc, die 1978 aus Protest gegen die etablierten Kunstinstitutionen in Ljubljana gegründet wurde und Mitte der Achtziger das Zentrum der Subkultur der Stadt war. „Slowenien hat sich immer, besonders auch zu jugoslawischen Zeiten, über seine Kultur definiert. Wohl mit ein Grund, warum bei uns erfreulicherweise bis heute vieles Kulturelles, sogar Clubs, sogar einzelne Kulturschaffenden von staatlicher Seite unterstützt werden.“ Trotzdem ist der aktuelle slowenische Kulturminister -und ehemalige Manager- Vasko Simoniti bei den Kreativen in Land als unbeliebt, gilt er doch Alternativem wenig offen gegenüber. Nicht zuletzt das jahrelang von Künstlern geforderte Museum für Gegenwartskunst hat er platzen lassen. Nun entsteht stattdessen im „ROG“, auf einem Areal einer alten Fahrradfabrik in Ljubljana, ein „Zentrum für zeitgenössische Kunst“. Eine verwässerte Mischnutzung, wie viele Kritiker bemängeln, mit einem Architektur- und Design Zentrum und anderen kommerziellen Anbietern. „Gegenwartskunst hat zurzeit keinen guten Stand bei uns“, kritisiert Alenka Greorgič. „Bezeichnend, dass sich Slowenien anlässlich seiner EU-Präsidentschaft mit Kunst und Architektur aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Ausland präsentiert.“
Dabei kann Slowenien auf eine bewegte neuere Kunstgeschichte zurückblicken. Zwischen dem Tod Titos 1980 und dem 10-Tage-Krieg im Jahr 1991 prägten staatskritische Kunstaktionen, Punkkonzerte, Lesben- und Gaylokale den Underground. Großer Impulsgeber war die Plattform NSK „Neue Slowenische Kunst“, die 1984 von den Gruppen Laibach (Musik), IRWIN (Malerei, Grafik) und der Theatergruppe Noordung gegründet wurde. Weniger im Westen bekannt auch die damals legendäre Industrial-Funk-Band „Borghesia“ um den charismatischen Künstler, Journalisten und DJ Aldo Ivancič, der auch die Performance- und Theatergruppe FV112/15 gründete. In dadaistische Manier hatte man den Titel einfach aus einer slowenischen Enzyklopädie entnommen. Auf deren Seite 112, Zeile 15, war zu lesen: »C’est la guerre!«. Aus dieser bewegten Zeit sind viele die Kunstszene bis heute prägende und international bekannte Persönlichkeiten hervorgegangen, auch viele Frauen, wie die NSK-Mitbegründerin Eda Cufer, die heute als Kulturtheoretikerin und Dramaturgin arbeitet, die Künstlerin und Architektin Marjetica Potrč, die Philosophin Marina Gržinič die auch künstlerische Leiterin der Galerie Škuc war und ihr noch bekannterer Philosophenkollege Slavoj Žižek. Die Industrialband „Laibach“, die unter anderem durch ihre Verwendung von Nazi-Ästhetik Furore machte und von der jugoslawischen Regierung verboten wurde, gibt bis heute Konzerte. „Auch ein belastendes Erbe, denn es ist schwer an die legendären Achtziger Jahre anzuschließen“, findet die Galerienleiterin Alenka Greorgič. Kommt momentan eine interessante Generation von Künstler nach? „Nach der Unabhängigkeit waren alle Künstler euphorisch und sehr aktiv, dann kam die Krise“, kann sich Greorgič noch erinnern.
Das Tief scheint vorbei. Eine auffallend starke Künstlergeneration zwischen zwanzig und Mitte dreißig Jahren, wie Tina Smrekar (*1978), Saso Sedlaček (*1974), das Künstlerkolletiv BridA, das Künstlerkollektiv son:Da oder Miha Štrukelj (*1973) machen international von sich reden. Auffallend auch die junge Architekturszene in Slowenien. Die um die Welt tingelnden Ausstellungen „Sixpack“ (2004) und „Young Blood – I’m a Young ‚Sloven’ Architect“ (2005) machten die slowenischen Nachwuchsarchitekten international bekannt. „In den Neunzigern waren die Architekturwettbewerbe noch nicht beschränkt. So konnten sich ein paar junge kleinere Büros früh mit größeren Projekten etablieren“, erklärt die junge slowenische Architektin Maja Vardjan den Erfolg. Selbst eröffnete sie vor einem dreiviertel Jahr den „T5 Project Space“ in Ljubljana, eine Galerie für Design in einer alten aufgelassenen Tabakfabrik. Einer jener zahlreichen alten Industrieanlagen aus jugoslawischer Zeit, die derzeit für die »Creative industry« des Landes in Büros und Wohnlofts umgebaut werden. Modedesigner, junge Architekturbüros, Grafiker und Galerien haben sich dort angesiedelt. Zeichen für einen Aufwärtstrend in kulturellen Belangen? Alenka Greorgič gibt sich optimistisch: „Ich denke, wir knüpfen momentan sogar wieder an die legendären Achtziger Jahre an.“



Dieser Text ist erschienen in der Kunstzeitung Nr. 10/2008
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