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Von Antje Mayer.

Die Welt und ich

Über Salzburger Festverspieltheiten

Ich bin ein Mann von Welt, war nämlich im August in einem UNESCO Weltkulturerbe: 250 lang, 150 breit, Heimat von 2.000 von insgesamt 150.000 Einwohnern insgesamt, sprich in der Altstadt von Salzburg. Jedes Jahr während dieses Sommermonats ist sie nicht nur ein Welt-Kulturerbe, sondern sogar eine Welt-Stadt, wenn auch die kleinste der Welt. Warum? Weil sich dann dort wegen der Salzburger Festspiele die so genannte „Welt“ trifft und die, die sich dafür hält, also ein Haufen österreichischer Adabeis, Münchner Society, neureiche Deutsche, staunende Japaner, Stammgast Thomas Gottschalk und ich.

Die Olympischen Winterfestspiele 2014 kommen ja bekanntlich nun nicht nach Salzburg, die Fußball- Europameisterschaft 2008 immerhin.
Als Dreh- Angelpunkte des sommerlichen Gesellschaftsspektakels agiert in Sachen Bildender Kunst der Salzburger Galerist Thaddäus Ropac, der trotz seines jungen Alters von 44 Jahren Andy Wahrhol und Joseph Beuys noch kennen lernte. Zu seinen besten Freundinnen zählt die nicht mehr ganz taufrische Wahrholmuse Bianca Jagger, die natürlich wie alle Jahre wieder als einer der wenigen Übersee-Firstclass-Promis in Salzburg bei ihrem „friend“ antanzte. Pikant: Jagger-Frau Nr. 2 Jerry Hall kam ebenfalls. „Kein Problem“, ließ Bianca großzügig verlauten.
Ich hatte einmal die Ehre, als Gast in Ropacs schmucken Salzburger Privatschlösschen „Villa Emslieb“ nebst Park zu weilen. In jenem Haus, das vom Keller bis zur Decke mit hochkarätiger Kunst voll gestopft ist, zwischen der der Kunsthändler zur Festspielzeit unbefangen seine legendären Festchen nebst promidichtem Cocktailempfängen steigen lässt. Selten hatte ich damals so viele gute, Millionen Euro teure, Werke der Gegenwartskunst, gekonnt lapidar präsentiert, sozusagen zum Anfassen, in Privaträumen gesehen. In der letzten Ausgabe des deutschen Kunstmagazin „Monopol“ lese ich, wird Ropac, der Wien wie der Teufel das Weihwasser meidet, mittlerweile sogar unter die zehn wichtigsten Galeristen 2007 gereiht und das als Salzburger! Ich darf jedoch der ordnungshalber hinzufügen, dass seine Filiale in Paris weitaus größer ist.
Während seine Pariser Kunstkunden an der Côte d’Azur abhängen, hat der Kultur- und Geschäftsmann Ropac für die finanziell potenten Festspielkäufer die Ausstellung „Exposures. The contemporarty Self-Portrait“, Selbstporträts von Künstlers und nebst der Gerwald Rockenschaub-Schau „My machines“ an der Salzach auf die Beine gestellt. Angesichts der Ansammlung von Superwerken, die so manches Museum vor Neid platzen lassen würden, wollte mir bereits bei der morgendlichen Matinee-Vernissage fast das Champagnerglas aus der Hand fallen. Beeindruckend: Circa die Hälfte der Werke wurde auch noch eigens 2007 für Ropac angefertigt! Daneben erblassten die kleine, aber liebevoll ambitionierte Ausstellung „Alles klar. Zeitgenössische Kunst aus Ägypten“ im Kunstverein Salzburg (bis 9.9.2007) und sowieso die schauerlich provinziell geratene und schlampig ausgeschilderte Überblickspräsentation „salzburg contemporary painting“ in der Galerie 5020 mit jungen Malerinnen aus der Festspielstadt (bis 15.9.2007). Soviel wie die Veranstalter und rund 30 Aussteller der ersten -und nächstes Jahr wieder stattfindenden Kunst- und Antiquitätenmesse „Salzburg World Fine Art Fair“ (28.7. bis 4.8.2007) in der Salzburger Residenz mit ihrem Gemischtwaren von Schmuck, Möbel bis moderner und zeitgenössischer Kunst in den vier Tagen umsetzten, verdient Ropac mit Sicherheit manchmal bei einem Smalltalk zur Festspielzeit.
Wie schafft dieser bescheidene und stets höflich Kunsthändler mit dem Aussehen eines Bankbeamten das immer nur, frage ich mich, während ich das teuer betaschte und betuchte, stets eine Idee zu braungebrannte, Vernissagenpublikum im besten Kreuzfahrtalter in seiner Galerie betrachte, die in Scharen sie alle sehen (kaufen?) wollen: Tracey Enim, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, VALIE EXPORT, Tony Cragg, Gilbert & George, Marc Brandenburg oder Stephan Balkenhol. Der Berliner Künstler Marc Brandenburg (*1965), der auf der Vernissage beflissen auf eine modemutigen Kunstsammlerin, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Best Girls are from Salzburg“ trägt, einplauderte, wurde übrigens vom Kunstmagazin „Monopol“ auf der Liste der wichtigsten Künstler von morgen auf Platz 9 gereiht.
Von einem anderen Ropac-Künstler, Balkenhol, stammt übrigens die monumentale Festspiel-Skulptur am Salzburger Kapitelplatz: eine riesige 3,5 Tonnen schwere und 8,8 Meter hohe, echt vergoldete (Mozart-?)Kugel mit einer dieser typisch verlorenen Balkenholfiguren oben drauf. Das ziemlich vordergründig geratene Monstrum hat das Sponsorenprojekt Salzburg Foundation realisiert, das seit 2002 jedes Jahr ein Werk im öffentlichen Raum für die Festspiele spendiert und zwar jedes Jahr unter Protest stramm konservativer „In-Salzburg-ja-nichts-ändern-woller“. Nächstes Jahr wird die Salzburg Foundation übrigens (geheim! geheim!) ein Werk von Tony Cragg in die Stadt setzen. Dass Cragg auch ein Künstler von Galerist Ropac sind, ist mit Sicherheit kein Zufall. Ropacs Jaguar frisst eben viel Benzin.
Ich kam mir nebenbei ähnlich wie die verklemmte Balkenholfigur auf der Goldkugel vor, als ich den Visabeleg für zweimal 432.- Euro für das Konzert mit der - ob ihrer penetranten Medienpräsenz mittlerweile reichlich nervenden- Operndiva Anna Netrebko unterschrieb, dem „Wunder von Salzburg“. Aber die muss man ja mal als „Mann von Welt“ gesehen, äh gehört, haben. Dass sie dann auch noch kurzfristig wegen einer Kehlkopfentzündung absagte, statt ihr Christine Schäfer einspringen musste, ich aber die Karten nicht einmal zurückgeben durfte, setzte der Abzocke die Krone auf. Mit meinen Karten für die Hector Berlioz-Oper „Benvenuto Cellini“, dem Erschaffer des Salzfässchen, das Mai 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum geraubt wurde, erging es mir nicht besser. Gleich zwei Stars des Abends, Tenor Neil Shicoff und Mezzosopranistin Vesselina Kasarova sagten wegen Krankheit ab. Ist Salzburg für die Goldkehlchen der klassischen Musik kein ernst zunehmender Auftrittsort mehr? Das Leben des berühmten Goldschmieds und Bildhauers hat der deutsche Video-Regisseur Philipp Stölzl (Madonna, Rammstein, Ärzte) trotzdem grandios popig in Szene gesetzt.
Wesentlich günstiger und leichter zu ergattern waren noch Karten für das „Requiem für eine Metamorphose“, das der Belgier Jan Fabre, übrigens ein Sandkastenkumpel des Ex-Festspielleiters Gérard Mortier als offizieller Festspielkünstler 2007 - er designte alle Karten und Plakate- inszenierte: eine Art theatralische Totenmesse für Schauspieler, Tänzer und Musiker (von 5. bis 11. September 2007 übrigens auch auf der Ruhrtriennale in Bochum).
Bei der Eröffnung seiner großen Ausstellung „Die verliehene Zeit“ (bis 28. Oktober 2007) im „museum der moderne Rupertinum“, die wegen des großen Andrangs ins Foyer des Festspielhauses verlegt wurde, waren sie alle da und Fabre glänzte wie ein Honigkuchenpferd ob der Aufmerksamkeit, die ihm entgegenrauschte: Da saßen der österreichische Präsident Heinz Fischer und in Rosa Landeshauptfrau Gabi Burgstaller in der ersten Reihe, natürlich war sie auch da, „seine“ liebenswerte österreichische Galeristenfamilie Mauroner mit Dependancen in Salzburg und Wien, die nicht nur während der Festspielzeit in Salzburg eine tolle Ausstellung mit aktuellen -eigens von Fabre angefertigten- Arbeiten zeigte, sondern in Wien noch einmal mit neuen Werken nachlegt: „Jan Fabre: Homo Faber” (13.09.-31.10.2007). Also ab nach Wien, es war wunderbar, bis nächstes Jahr!

Ihr Paul Adebar



Text erschienen in Kunstzeitung 09/2007
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