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Erst vergangenes Jahr hatte der österreichische Künstler Robert Jelinek (Jahrgang 1970) für mediale Aufruhr gesorgt, als er im gesamtem Stadtgebiet von Kassel, während der documenta XI, uneingeladen und illegal, Hanfsamen sähte, um auf die Kriminalisierung von Cannabis aufmerksam zu machen. Der Gründer des Musik- und Kunstlabels Sabotage, das mit der Kreation des Parfums „Cash“, einem Duft, der nach Dollarnoten riecht, international von sich sprechen machte, scheint es –trotz gegenteiliger Beteuerung Jelineks- gesellschaftskritisch zu lieben. So gibt sich denn dessen neuestes aktionistisches Kunstprojekt wiederum sehr engagiert: Die Gründung eines Kunst-Staates, mit dem metaphorisch wie ironischen Titel „State of Sabotage“, kurz SoS. Von Antje Mayer.

SoS für Staatskünstler

Ende August wurde dieser „Mikro-Staat“ auf der unbewohnten Insel Harakka vor Helsinki ins Leben gerufen. Der Festakt war wenig staatstragend: Zu trash-punkigen Eröffnungshymnen des österreichischen Elektronikrockers Philipp Quehenberger wurde eine Hr. Giger-Skulptur enthüllt. Die Auftragsarbeit des Kultbildhauers ist das erste Stück einer geplanten „staatlichen Kunstsammlung“. Das Motiv der Schuhe wählten Hr. Giger und Robert Jelinek übrigens gemeinsam aus, weil das französische Wort „sabot“ soviel wie „mit hölzernen Schuhen trampeln“ heißt. Zu Beginn der Industrialisierung warfen französische Bauern ihre Glogs in die Erntemaschinen, um gegen die Auflösung ihrer Jobs zu protestieren.
Die stetig wachsende Kunstsammlung soll in Zukunft in temporären SoS-Botschaften auf der ganzen Welt gezeigt werden und wird, so Jelinek, das Vermögen des „Staates“ darstellen. „Die Idee ist neu. Ein solches Modell existiert in dieser Form noch nicht“, so beteuert der Aktionist, der sich seit fünf Jahren mit dem künstlerischen Phänomen von Mikro-Staaten auseinandersetzt. „Der ‚State of Sabotage’ ist nicht virtuell oder vordergründig als künstlerisches Konstrukt gedacht, wie man es aus der jüngeren Kunstgeschichte kennt, sondern als realistisches Alternativmodell zu bestehenden staatlichen Systemen.“

Jelinek meint es ernst: 50.000 Unterschriften will er demnächst auftreiben und seinen Staat zur Anerkennung einreichen. Ein Territorium besitzt SoS nicht, jeder kann als „Staatsbürger“ leben, wo er will, findet Jelinek, das entspräche ja längst der gelebten Praxis. Eine Art Rückzuggebiet jedoch hat sich der Staatengründer in Ost-Australien (Queensland) schon gesichert. Immerhin 650 Hektar ist es groß. Gekauft wurde es „mit Hilfe eines edlen Spenders, der an die Sache glaubt“, gibt sich Jelinek geheimnisvoll. Dorthin, so sein Plan, können sich Künstler mit Hilfe von Stipendien oder auch auf eigene Kosten für eine Zeit absetzen, „runterkommen“ und in Ruhe arbeiten.

Klingt nach Kommune á la Siebziger, aber wie auch immer, Robert Jelineks Idee vom Kunststaat scheint bei den Künstlern anzukommen. Der bekannte österreichische Grafiker Franz Graf gestaltete bereits die Flagge, Heimo Zobernig den Pass, der übrigens aus recycelten EU-Noten besteht (aber nicht danach riecht). Für die Eröffnung der österreichischen SoS-Botschaft und des Konsulates am 31. Oktober 2003 (Burggasse 100, A- 1070 Wien) werden neben Giger, Zobernig und Graf, auch der Soundartist Franz Pomassl, die Fotokünstlerin Julie Monaco und Sprengmeister Roman Signer als „Staatskünstler“ agieren.



erschienen im Informationsdienst Nr.287/Okt.03,S.24ff
> Sabotage