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Bei den Buddhisten steht die Farbe Orange für die höchste Stufe der Erleuchtung. Auch die Inder idealisieren die Farbe der Energie und Wärme wegen ihrer eigenen safranfarbigen Haut. Als Farbe des Südens und des Sommers erfreut sich Orange besonders bei Pflanzen und Gartenmöbel auch in unseren Breitengraden immer größerer Beliebtheit. Von Antje Mayer.

Die Geschichte der O.

„Die aktive Seite ist hier in ihrer höchsten Energie, und es ist kein Wunder, dass energische und gesunde, rohe Menschen sich besonders dieser Farbe erfreuen“, schreibt der Dichter und Farbforscher Johann Wolfgang von Goethe. Die zweite menschlich wahrnehmbare Farbe im Regenbogen, die Farbe der untergehenden Sonne, steht seit jeher für Optimismus und Lebensfreude, signalisiert Aufgeschlossenheit, Kontaktfreude, Jugendlichkeit, Gesundheit und Selbstvertrauen. Bei den Buddhisten steht die Farbe Orange für die höchste Stufe der Erleuchtung. Auch die Inder idealisieren die Farbe der Energie und Wärme wegen ihrer eigenen safranfarbigen Haut. Aber nicht nur.

In Deutschland und Österreich ist Orange erst langsam auf dem Vormarsch, neben Braun gilt sie sogar als unbeliebteste Farbe in den zwei Nachbarländern. In den Niederlanden hingegen ist Orange gar Nationalfarbe und Farbe des Könighauses. „Oranje“ heißt nämlich „Orange“. Wenn Mitglieder des Königshauses Geburtstag haben, hissen die königstreuen Untertanen orangefarbene Wimpel und Königin Beatrix ist auf vielen Fotos mit orangenfarbenen Rosen abgebildet.

Während die Südländer traditionell eine umkomplizierte Beziehung zu der leuchtendsten aller Farben haben, ist man in unseren Breitengraden dazu geneigt, sie genauso mit Kindlichkeit, Oberflächlichkeit und Aufdringlichkeit zu assoziieren. Auf mittelalterlichen Gemälden des Mittelalters findet man sie übrigens weder als Symbol noch Kleiderfarbe. Nicht zuletzt durch chemisch gefärbte Kunststoffmaterialien und Textilien haftet ihr seit den Fünfzigern der Ruf des Billigen und Künstlichen an. Goethe, der lieber vom „hohem Gelbrot“ oder „Scharlachrot“ sprach, lieferte dazu seine eigene Theorie: „Man hat die Neigung derselben bei wilden Völkern durchaus bemerkt. Und wenn Kinder, sich selbst überlassen, zu illuminieren anfangen, so werden sie Zinnober und Menning nicht verschonen.“

Gerade von derartigen rohen und geradlinigen Sexappeal schwärmen die Fans der extrovertiertesten aller Farben. Orange ist die stimulierendste unter ihnen. Messungen haben ergeben, dass beim Betrachten derselben Atmung und Puls rascher werden und der Blutdruck steigt. Tatsächlich besitzt Orange mit Rot die größte Wellenlänge im Nanometerbereich und kann einen Raum um sage und schreibe drei bis vier Grad erwärmen, wenn auch nicht in Realität, so zumindest gefühlsmäßig.

So geben auch orangefarbige Möbel und Pflanzen dem Garten südländisches und exotisches Flair. Als Farbakzent zu Grün und weißen Blüten gibt sie Blumenbeeten die nötige Dramaturgie. Langstieliger isländischer Mohn in Orange, den man vor allem an geschützten Orten pflanzen soll, zusammen mit niedrig wachsenden Blumen, etwa in Lila, einer Farbe, die die Komplementärfarbe zu Orange, das Blau, enthält, ist ein netter Kontrast. Dazu gebe man dosiert ein bisschen Goldmohn, wegen seines mützenartigen Kelches auch „Schlafmütze“ genannt, hier und da Strelizien, Callas, Ringelblumen, Gerbera, Tagetes, Lilien und Gladiolen in Orange (siehe Fotos) und es wird schön bunt in der eigenen Fauna. Wenn dann noch ein paar Goldfische, die ja in Wahrheit orangenfarben sind, oder die -in Japan heiligen- Koikfische im Teich schwimmen, ist die „heiße“ Szenerie perfekt.

Und damit so richtig mediterraner Flair aufkommt, dürfen natürlich sie nicht fehlen: die Zitrusfrüchte, besonders eine unter ihnen, nämlich die, die der Farbe ihren Namen gab: die Orange.
Die Orange gehörte seit jeher zu einer der beliebtesten Früchte. Ursprünglich stand sie nur Kaisern, Kalifen und den höchste Beamten zu. Wer ein bisschen exklusive Schloßpark-Atmosphäre in den eigenen Garten bringen will, sollte demnach ein paar Pomeranzenbäume (poma aurantia) in tragbaren Kübel aufstellen, für die eigene kleine Orangerie. Die niedlichen Bäumchen mit ihren fleischigen grünen Blättern können bis zu 1,5 Meter hoch werden. Zum Essen sind diese Exoten allerdings weniger gedacht denn zur farblichen Zierde. Die Könige in Versailles, Sanssouci und anderen Schlössern pflegten übrigens ihre Orangenbäume mit Oleander, Hibiskus und Jasmin zu kombinieren. Orangenbäume in entsprechender Klimazone blühen von März bis Mai und können bis zu hundert Jahre alt werden. Im Garten des Alcazars von Sevilla steht sogar ein 600 Jahre alter Orangenbaum, den die Mauren gepflanzt haben sollen, bevor sie aus diesem Teil Andalusiens vertrieben wurden.

Die Geschichte der Orange ist alt. Vor 3.000 Jahren schon pflanzten die Chinesen Bäume, an denen große, runde Früchte wuchsen. Citrus sinesis, Chinaäpfel, Apfelsine, kurz: Orangen. Sie enthielten Phantastisches: Phosphor, Kalzium, Magnesium, Eisen und rund 14 Vitamine, vor allem reichlich vom Vitamin C, das das Immunsystem und die Hormonstruktur belebte, also die Psyche. Ein Antibiotikum und Antidepressivum, das auf Bäumen wächst! Schön soll der „goldene Apfel“ auch noch machen: Er wirkt Fett freisetzend und sorgt dank dem Vitamin Biotin für schöne Haare und Haut. Historiker streiten, ob Kolumbus, die Genueser Kaufleute oder die Kreuzritter das Früchtchen vor 500 Jahren nach Europa einschleppten.

Heute gibt es annähernd 400 Sorten und im wesentlichen unterscheidet man sie in Blond-, Blut- und in die beliebten, da kernlosen, Navelorangen. Das ätherische Öl der Bitterorange, das man aus der Fruchtschale gewinnt, wird vor allem in der Parfumindustrie verwendet. Die Bergamotte, eine Abart der Bitterorange, spielt dabei eine große Rolle zum Aromatisieren von Tee. Der bekannte Earl Grey bekommt seinen unverwechselbaren Geschmack erst durch die Orange.

Wer es noch nicht weiß: Die Orange hat nicht nur eine aufregende Farbe, sie soll tatsächlich zudem die Libido stärken. Vitamin C aktiviert nämlich alle Körperdrüsen und somit das Sexualleben. Vielleicht feiert deswegen die Stadt Ivrea im italienischen Piemont ihren Karneval mit einer Orangenschlacht in mittelalterlichen Kostümen. Die farbenprächtige Frucht dient nämlich zur Erinnerung an eine schöne Müllerin, die einen Adeligen geköpft haben soll, als der auf sein „Recht der ersten Nacht“ nicht verzichten wollte. Fürwahr eine temperamentvolle Farbe.



erschienen in Garten 01/03