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Von Antje Mayer.

Mode und Mondrian

Große Retrospektive in der Albertina Wien

Eine „Hommage an Piet Mondrian!“, jubelte die Fachpresse: „Hautenge Leggings in den kräftigsten Knallfarben, kombiniert mit voluminösen Oberteilen mit den typischen grafischen Mondrian – Aufdrucken, auch auf Schuhen, Shirts und Mäntel in Rot-Weiß-Schwarz-Gelb-Blau sind der Wintertrend 2004/2005.“ Der holländische Maler Piet Mondrian (1872 bis 1944), so scheint’s, ist immer Mode.
Und da sich die Albertina in Wien vielleicht nicht auf Mode, so doch auf das, was populär ist, versteht, soll heißen bestbesuchte Blockbuster - Ausstellungen, ist dort von 11.3. bis 19.6.2005 eine große Piet Mondrian Retrospektive zu sehen. Einer der umfassendsten Mondrian-Schauen in Österreich bisher mit mehr als 90 Gemälden und großformatigen Zeichnungen, zusammengeliehen aus 30 Museen in aller Welt.
Warum gerade Mondrian in der Albertina, die ja eine grafische Sammlung ist, mag man sich fragen? Weil Mondrian „als Paradebeispiel für die Verbindung und wechselseitige Beeinflussung von Zeichnung und Malerei gilt“, heißt es aus dem Haus. Aha. Das gilt wohl für tausend andere Künstler auch, aber sei’s drum. Das Werk eines der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts so kompakt und umfassend vor Ort sehen zu können, ist fraglos ein Ereignis.
Mondrian beeinflusste schon zur Lebzeiten mit seiner radikalen Abstrakt-Geometrie, tausendmal inzwischen recycelt, in Millionen Merchandisingprodukten verbraten, nicht nur nachhaltig die Malerei, sondern auch das Design, die Architektur und die Mode. „Neue Gestaltung“ oder Neoplastizismus umschrieb er seinen Stil. Der Begriff wurde in seinem berühmten Aufsatz „Die Neue Gestaltung in der Malerei“ in der von ihm mitbegründeten Zeitschrift De Stijl (1917-1932), immerhin einer der einflussreichsten seiner Zeit, geprägt: „Sie (die „Neue Gestaltung“) kann sich nicht hinter dem verstecken, was das Individuelle kennzeichnet, hinter natürlicher Form und Farbe, sie muss vielmehr in der Abstraktion von Form und Farbe zum Ausdruck kommen - in der geraden Linie und in der zur Bestimmtheit geführten Primärfarbe», schrieb Mondrian. Die „De Stijl-Gruppe“ um die gleichnamige Trend-Zeitschrift war damals eher ein europaweit agierendes Forum und keine feste Gruppe. Neben dem engeren niederländischen Kreis um Mondrian, van Doesburg, Oud und Rietveld publizierten dort auch russische Konstruktivisten wie El Lissitzky, italienische Futuristen wie Severini und Dadaisten wie Schwitters oder Arp.
Dass Piet Mondrian nicht als „Neoplastizist“ geboren wurde, sondern erst mit annähernd vierzig Jahren, ab 1912 und dann während des Ersten Weltkriegs immer mehr zur Abstraktion fand, zeigt auch die Ausstellung in Wien. Seine frühen Werke sind noch derart von den Stilen der Zeit geprägt, vom Impressionismus, Symbolismus, später auch Kubismus, dass ein Laie sie auf den ersten Blick gar nicht unmittelbar Mondrian zuordnen würde. Fassen wir also kurz zusammen: Wer auf den Mondrian-Geschmack gekommen ist, kann im Winterschlussverkauf ja noch zuschlagen oder besser: Nach Wien in die Albertina sehen kommen.



Artikel erschienen in Kunstzeitung 3/2006
> Link:Kunstzeitung > Link:A&M-/Ausstellungskatalog Piet Mondrian- > Link:Wikipedia/Piet Mondrian- > Link:Albertina- > Link:Wikipedia/De Stijl- > Link:Kunstbilder Galerie.de-