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Von Antje Mayer.

Zwinker, zwinker

Koreanische Gegenwartskunst in der Kunsthalle Wien

Wenn man den koreanischen Fahnen-Künstler Choi Jeong-hwa (*1961) fragt, was seiner Meinung nach zeitgenössische (süd-)koreanische Kunst auszeichnet, dann antwortet jener: „Solche Fragen sind schwer allgemein zu beantworten, aber meine moderne Kunst ist bagul-bagul, aal-rok dal rok, bun-chok bun chok, woolgoot bulgoot, was soviel heißt wie lautmalerisch, laut gedrängt, bunt, bunt, zwinker zwinker, absurd, grell banal, exakt grob.“ Der Fotograf Oh Hein-kuhn (* 1963) antwortet lakonischer: Koreanische Kunst würden „Entfremdung und Anpassung“ prägen.
Von eben jenen Reibungsflächen zwischen dem schrillen „Marktgeschrei“ einer rapid gewachsenen postmodernen Gesellschaft und einem damit einhergehenden kulturellen Entwurzeltsein, verschobenen Moralvorstellungen und Tabus erzählt die kleine aktuelle Ausstellung „Elastic Taboos. Koreanische Kunst der Gegenwart“ in der Kunsthalle Wien (bis 10. Juni 2007). Besser sie will von diesem Themen erzählen, aber es gelingt ihr nicht.
Vielleicht ist das aber auch nicht so wichtig, artikuliert der Titel der Schau auch weniger ein kuratorischen Faden als mehr ein Zeitgeistgefühl eines Landes, in dem sich derzeit alles im Wandel befindet, alles eben „elastisch“ zwischen Extremen schwingt. Die Überblicksschau der Kuratoren und Szenekenner Kim Seung-duk und Franck Gautherot ist durchaus mit Liebe zum Detail zusammengestellt, wie der Katalog und das Vermittlungsprogramm beweist. Sie bietet aber dem Besucher letztendlich doch nur einen minimalen Ausschnitt eines Gemischtwarenlagers zeitgenössischer koreanischer Kunst an, das sich linientreu an dem Gewohntem des internationalen Kunstmarkts orientiert. Schwer in der Ausstellung etwas typisch Koreanisches auszumachen, vielleicht Anbetracht der allgemeinen Globalisierung kein Ansinnen mit Aussicht auf Erfolg. Ein guter Teil der vorgestellten Künstler lebt ohnehin nicht mehr in Korea, sondern im Ausland.
Shin Hak-chul ist ein „Einheimischer“, wurde 1943 in Yechon geboren, lebt in Seoul und gehört einer älteren Generation von Künstlern an, die noch originärsten wirken. Er scheint einerseits von monumentalen realistisch gemalten Propaganda-Allegorien beeinflusst, andererseits weist sein Werk eine große Affinität zu Zeitgenössischem wie Graffiti, Comic und Werbegrafik auf. In Wien zeigt er das monumentale Gemälde „History of Contemporary Korea – Gapsoonyee and Gapdolyee“ (2002), auf dem er die brutale Okkupation der Japaner 1910 bis 1945, den Krieg mit Nordkorea 1950 bis 1953 und schließlich die heutige -vor allem sexuelle- Enttabuisierung thematisiert.
Auch ein „Älterer“ ist Lee Ufan (* 1953 in Kyungnam, lebt in Kamagura), der sich selbst als „Außenseiter“ bezeichnet, Im Mittelpunkt seiner Arbeiten, die vom Buddhismus beeinflusst wirkt, steht die Darstellung der Unendlichkeit und Leere. In Wien zeigt er einfach eine weiße Tasse auf weißer Leinwand. Ähnlich „still“ arbeitet auch Park Seo-bo (*1931 in Yechon, lebt in Seoul), der in seiner gezeigten Serie „Ecriture“ mit eigentümlichen Kalligrafien, Schichtungen aus koreanischem Papier und mit pastosen Farbauftrag die Leinwand strukturiert. Dj-ane „Bubblefish“ (*1976 in Seoul, lebt in New York) katapultiert Park Seo-bos Arbeit ins 21. Jahrtausend mit elektronischem Gameboy Sound, der zu dem überleitet, was sonst noch in der Schau zu sehen ist: Eher „bagul-bagul, aal-rok dal rok, bun-chok bun chok, woolgoot bulgoot“: Angesichts des aktuellen Asienkunst-Hypes international konkurrenzfähig, keine Frage, aber irgendwie auch globalisiert beliebig.



erschienen in der Kunstzeitung 5/2007.