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Die Galerie Kargl in Wien ist verwinkelt. Ein klitzekleines Lokal zur Schleifmühlgasse. An den Wänden hängen riesengroße Fotos von „Schlangenmenschen“ in wahnwitzigen Verrenkungen. In den Vitrinen davor stehen einzelne Stöckelschuhe und präzisest gearbeitete, winzige Prothesen. Zu welchem perversen Zwecke wohl? Von Antje Mayer.

Horror-Parcour

Markus Schinwald scheut Definitionen

Auf einer Wendeltreppe steigt man herab in die Tiefe. Es folgt ein dunkler, besenkammergroßer Raum, der als Schleuse in ein größeres Zimmer dient. Dort ein Film. Er spielt zu welcher Zeit und an welchem Ort? Im Jenseits gar? Dann ein langer Flur. Seltsam vermaskierte Biedermeier-Porträts säumen den Weg. Keine Fenster, kein Tageslicht. Dann erst ganz hinten, steigt man durch einen geöffneten Schrank in den großen Saal. Buh. Luft holen. Alice im Wunderland oder im Alptraum? Hoffentlich schließt niemand die Schranktür hinter einem ab!
Der, der diesen Horror-Parcours erdachte, muss ein obsessiver Vogel vom Schlage Kafka sein, denkt man sich. Ist er nicht. Der Künstler Markus Schinwald (Jahrgang 1973) schmunzelt. Das Unheimliche, das einem bei seiner Einzelausstellung in der Galerie Kargl (bis 3. Januar 2003) umfängt, sei eben seine Intention. „Der Schlüssel dazu ist das nicht genau Definierte. Das ist unbehaglich, besonders bei Stereotypen, die man zu kennen glaubt“, erklärt Schinwald.
Um das darzustellen, habe er keine bestimmte Form erwählt. Er bediene sich von dem, was er eben als angemessen betrachte: Video, Design, Fotografie, Skulptur, Grafik, Architektur oder Mode. Für die Kargl-Schau hat Schinwald sogar eine lebensgroße Marionette gefertigt, die das Bein fortwährend wie zum Gehen hob - nur vorankommen, das tut sie damit nicht.

Alle Schinwald-Arbeiten sind auffallend akkurat und präzise gearbeitet, fast schon so genau, dass es einem mulmig wird. Das gilt auch für den Film "Dictio Pii" (ein absurdes Stelldichein von sieben Personen in einem Hotel), den die Österreichische Galerie Belvedere jetzt erworben hat. Maurizio Cattelan und den Chapman-Brüdern hat man diese Hyperrealität schon fürchten gelernt. Sehr bedacht und dramaturgisch perfekt inszeniert, das alles. Selfmade? „Nein, nein“, wiegelt Schinwald ab, „Ich kann fast nichts. Ich arbeite immer mit Profis zusammen, aus der Modebranche oder der Werbung. Das Ergebnis soll stimmen“, so der Künstler. „Das Dilenttantische ist mir verhasst.“
Schinwald hat an der Linzer Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung studiert. Schon mit jungen 24 Jahren zeigte er, etwa im Kunstverein Freiburg oder in der Gallery Karin Günther in Hamburg, seine ersten Einzelausstellungen.
Bei der Venedig Biennale heuer war er mit in der Utopia Station dabei, im Migros Museum in Zürich in der Horror-Show „Bewitched, Bothered und Bewildered“ und hat in den vergangenen Jahren überhaupt schon fast in allen Kunstmetropolen seine Arbeiten gezeigt: unter anderem in London, Paris, Köln, Los Angeles, New York, Berlin.

Der in Wien lebende Salzburger hat übrigens an der Höheren Technischen Lehranstalt, das Modemachen von der Pieke auf erlernt, „als einziger Junge unter 600 Mädchen“. Kleidung, modische Accessoires und Stoffe haben bei Schinwald als künstlerisches Material überlebt. So konzipierte der Künstler erst ein „Jubelhemd“. Ein Kleidungsstück, das so geschnitten ist, dass man es nur mit erhobenen Armen tragen kann.
Wieder so ein Stereotyp! Freude oder Geste der Ergebung? Das sei eben dieses nicht Definierte, meint Schinwald. Unheimlich!



erschienen in Kunstzeitung Nr.90/Febr.04,S.16