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Warum ich gerade diese zeitgenössischen Künstler aus dem Kosovo ausgewählt habe? Mir gefällt, daß sie sich mit ihren Arbeiten mit unserer Identität, unserer Geschichte und unserer Tradition auseinandersetzen, vor allem, dass ihre Arbeiten so sehr persönlich gefärbt sind. Ihr Alter war mir dabei egal. Da ich als Künstler selbst auf diese Art und Weise arbeite, steht mir ihre Herangehensweise sehr nahe. Von Erzen Shkololli.

Neue Wege aus dem Balkan

Der Kosovo-Künstler Erzen Shkololli über seine Auswahl der „Fünf“

Ich habe mich bewusst dafür entschlossen, auch Kollegen aus Albanien in die Reihe „der Fünf“ aufzunehmen. Warum? Weil sie ähnliche Themen und Probleme wie wir Künstler aus dem Kosovo bearbeiten.

Etwa der von mir sehr geschätzte Künstler Edi Hilla, der 1944 geboren wurde und in Tirana lebt. Seine „Portraits of Houses“ ist für mich eine starke Arbeit, die mich berührt. Er zeigt in dieser Aquarellserie menschenleere Bauskelette und anonyme Gebäude, die überall auf der Welt stehen könnten. Sie zeugen von unserem brisanten „architektonischen Problem“ in Kosovo und Albanien. Nach Ende der Vertreibung, der Zerstörung der Infrastruktur und der Natoangriffe 1999 werden nun im ganzen Land die Häuser wieder aufgebaut. Aber wo, mag man sich fragen, bleibt die Identität aller dieser anonymen Rohbauten und Neubauten, die derzeit im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden wachsen. Hat man unsere alte reiche Bautradition im Kosovo vergessen?

Sokol Bequiri, ein Kosovo-Künstler der etwas älteren Generation (Jahrgang 1964), habe ich beispielsweise ausgewählt, weil er sehr viel für die zeitgenössische Kunst im Kosovo getan hat, die dort keine sehr lange Tradition besitzt. Seine Ausstellungen 1994 in Prishtina und Peje bezeichnen einen Wendepunkt innerhalb der Kunstszene im Kosovo. Es hat uns Künstler sehr beeinflusst, mit der Art, wie er konsequent den Umgang mit unserer Geschichte und unsere Heldenverehrung hinterfragt. In seiner Fotoserie „Peoples“ stellt er Heldenmonumenten jeweils extra einen Bodyguards zur Seite und lässt sie von ihnen symbolisch bewachen, als ob man Angst haben müsse, dass sie wie im Krieg jederzeit von ihrem Sockel geschossen würden, geschliffen oder gestohlen würden. Er weißt so ironisch einerseits auf unseren problematischen National- und Heldenkult hin und auch den schnellen und manchmal unreflektierten Wechsel von nationalen Ikonen in den vergangenen Jahren. Ein Phänomen, das letztlich nicht nur für den Kosovo, sondern freilich für ganz Ex-Jugoslawien zutrifft.

Der sehr junge Künstler Jakup Ferri (Jahrgang 1981), den ich ausgewählt habe, beschäftigt sich auf ganze andere Art und Weise mit unserer Identität. Ferri, der in Prishtina im Kosovo lebt und arbeitet, setzt sich mit seiner Rolle als Künstler nach innen und nach außen auseinander. Er hinterfragt ironisch, wie man sich einerseits als Künstler zuhause definiert und wie man sich andererseits in der internationalen Kunstwelt mit dessen Hang zum Starkult „verkaufen“ muss. Ein schizophrener Zustand zuweilen. Seit bei uns im Kosovo regelmäßig internationale Kuratoren auftauchen, ist das ein Problem, mit dem wir uns Künstler wohl oder übel beschäftigen müssen.

Die viel kritisierten Balkanschauen der Vergangenheit haben uns Künstler aus dem Kosovo, wie ich denke, neue Wege geebnet, die bis dahin im Grunde nur „Balkan-Stars“ wie Marina Abramovic und Branko Dimitrijevic offen standen. Bekannte Kuratoren wie René Block, Harald Szeemann oder Peter Weibel stellten sich entgegen aller Kritiken letztlich für die Entwicklung der zeitgenössischen Kunstszene im Kosovo als wichtig heraus, vor allem für die Künstler der jüngeren Generation. Nicht zuletzt deswegen, weil Harald Szeemann viele Künstler der Region später in die Sevilla Biennale integrierte. René Block tat das gleiche auf der Cetinje Biennale.

Text: Erzen Shkololli im Interview mit Antje Mayer






Erzen Shkololli wurde 1972 geboren und arbeitet und lebt in Peje im Kosovo. Er gehört mit zu einer der internatonal erfolgreichsten und bekanntesten Künstler aus der Region, nicht zuletzt, weil er sich in seinen intensiven Arbeiten wie kein andere kritisch mit der Tradition und Geschichte seiner Heimat auseinandersetzt, wobei er eher dokumentiert und sich als Künstler gewöhnlich im Hintergrund hält. Er ist unter anderem Mitbegründer von EXIT, dem Zentrum für zeitgenössische Kunst in Prishtina und der dazugehörigen Galerie in der Stadt Peje (Kosovo).

Text erschienen in spike ART QUARTERLY Nr.4/2005
> Link:artist.org/Erzen Shkololli > Link:spike ART QUARTERLY- > Kontakt Erzen Shkololli-