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Von Heinrich Deisl.

Was ist eigentlich tranzit und wer steht dahinter?

Kunstförderung in Zentraleuropa

Wir stellen vor, wer das transdisziplinäre Förderprogramm erfunden hat, wer es organisiert und kuratiert.

Tranzit ist ein lokal und international agierendes Projekt zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Theorie in Zentraleuropa, im Besonderen in Tschechien, der Slowakei und Österreich. Von der Erste Bank finanziert, aber inhaltlich autonom. Tranzit wurde 2002 als transdisziplinäres Förderprogramm von den beiden Kuratorinnen Mária Hlavajová und Kathrin Rhomberg entwickelt, um den komplexen Anforderungen der neuen sozialpolitischen Entwicklungen Europas auf künstlerischer Ebene adäquat zu begegnen. Künstler, Kuratoren und Theoretiker sollen über Generationen und nationale Grenzen hinweg vernetzt werden. Tranzit will bewusst eine vielschichtige Plattform entwickeln, die nicht nur eine Alternative, sondern auch eine Ergänzung zur gegenwärtigen Kulturpolitik darstellt. Deshalb hat sich tranzit zum Ziel gesetzt, Einzelpersonen sowie Aktivitäten kleineren Maßstabs zu unterstützen, die über ein künstlerisches Potenzial im lokalen wie auch im internationalen Kontext verfügen.

Boris Ondreička für tranzit in der Slowakei
Der 1969 in Zlaté Moravce geborene Boris Ondreička ist der für die Slowakei zuständige Leiter von tranzit. Ende der Achtziger holte er sich sein theoretisches Rüstzeug auf der Akademie der Angewandten Künste in Bratislava. In dieser Zeit erlangte er als Sänger der SK-Punkband „Kosa z nosa“ berüchtigte Berühmtheit. Nach Ausflügen in die heimische Medienwelt als Kolumnist und als TV-Journalist für die Musiksendung „More“ zählt Ondreička mittlerweile zu den Schlüsselfiguren der jungen slowakischen Kunstszene. Als Künstler mit interdisziplinärer Vergangenheit forciert Boris Ondreička seit 2002 als Leiter von tranzit.sk grenzüberschreitende Aktivitäten wie Symposien, Vorträge, Ausstellungen, Happenings und Konzerte. Als Mitglied des Expertenteams des slowakischen Kulturministeriums ist er seit kurzem auch auf politischer Ebene um Kunst und Kultur bemüht.

Vít Havránek für tranzit in Tschechien
Für den damals 18-jährigen Vít Havránek bedeutete der Fall des Eisernen Vorhangs auf tschechischer Seite die dramatischste Zäsur seines Lebens. In der politisch aufregenden Zeit bis zur Teilung der Tschechoslowakei 1993 studierte Havránek an der Prager Karlsuniversität Kunstgeschichte und kam nach einem Zwischenstopp im Soros Center for Contemporary Arts schließlich zur renommierten Stadtgalerie Prag, wo er für die Gestaltung der Abteilung Malerei verantwortlich war. Vít Havránek ist seitdem freier Kurator und in dieser Aufgabe auch seit 2002 der zuständige Beauftragte für tranzit.cz. Neben den Künstlern Tomáš Vaněk und Jiří Skála ist Havránek Gründungsmitglied der seit 2000 bestehenden aktionistischen „Produktionsgruppe“ PAS. Havránek ist mit der schwierigen Aufgabe betraut, das höchst reichhaltige, indes jahrzehntelang isolierte tschechische Kunst- und Kulturschaffen transparent zu machen.

Georg Schöllhammer für tranzit in Wien
Mit tranzit.at erweitert sich das tranzit-Netzwerk ab Herbst 2004. Georg Schöllhammer, Kulturjournalist und Kurator, wird die Koordination der tranzit-Veranstaltungen übernehmen. Schöllhammer stammt aus Linz. Nach dem Studium der Architektur, Kunstgeschichte und Philosophie schrieb er als Redakteur für Bildende Kunst von 1988 bis 1994 für die Wiener Tageszeitung „Der Standard“. Seit 1992 hält Schöllhammer als Gastprofessor Vorlesungen über die Theorie der Gegenwartskunst an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Darüber hinaus zeichnete er als Kurator unter anderem für das internationale Kooperationsprojekt „translocation (new) media/art“ und Co-Kurator des Festivals „du bist die welt“ der Wiener Festwochen 2001 und von Ausstellungen in Jerewan und Sofia 2002 verantwortlich. Als Chefredakteur und verantwortlicher Textchef bei der theorielastigen österreichischen Kunstzeitschrift „springerin – Hefte für Gegenwartskunst“ bemüht sich Schöllhammer seit mehreren Jahren auch um Kulturthemen in Zentraleuropa. Er ist Herausgeber einer Publikationsreihe der documenta 12, die ab 2005 erscheinen wird.

Mária Hlavajová
Mária Hlavajová kann man durchaus als kulturelle Globetrotterin bezeichnen. 1971 in Bratislava geboren, studierte sie dort Cultural Studies und graduierte auf der Comenius-Universität zur M. A. 1992 heuerte sie im Soros Center for Contemporary Arts als Programmkoordinatorin an und verließ das Zentrum 1999 als Direktorin. Zwar nach wie vor in Bratislava stationiert, sind ihre Einsatzorte mittlerweile über den ganzen Globus verteilt. 2000 wurde sie als Co-Kuratorin auf die „Manifesta 3“ nach Ljubljana eingeladen. Hlavajová ist Faculty Member am Center for Cultural Studies am Bard College in New York und schreibt für Kunstmagazine wie „Atelier“ (CZ), „Profil“ (SK) und „Kalligram“ (SK/HU). Als Direktorin der angesehenen BAK, basis voor actuele kunst (Utrecht), pendelt sie nun auch zwischen Bratislava, Amsterdam und Utrecht. Zusammen mit Kathrin Rhomberg zeichnet Mária Hlavajová seit September 2002 als zuständige Leiterin für das Projekt tranzit verantwortlich.

Kathrin Rhomberg
Kathrin Rhomberg wurde 1963 in Bludenz geboren, in Salzburg studierte sie Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Journalismus. Seit 1994 war sie in der Wiener Secession als Kuratorin und Veranstaltungsorganisatorin tätig. Nach diversen Kuratorenaufträgen war Rhomberg 2000 eine der Mitverantwortlichen der in Ljubljana abgehaltenen „Manifesta 3“. Am 1. Januar 2002 hat Kathrin Rhomberg als Direktorin die Leitung des Kölnischen Kunstvereins übernommen. Mit einem ambitionierten Buchband über Július Koller machte sie 2003 zusammen mit dem Herausgeber Roman Ondák den slowakischen Maler einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Als ausgewiesene Kennerin mittel- und osteuropäischer Kunst war sie von Boris Marte im September 2002 mit der Entwicklung des Projekts tranzit betraut worden ist.



Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Oktober 2004
> Link:REPORT online > Link: tranzit- > Link: pringerin. Hefte für Gegenwartskunst- > Link: BAK Basis für actuele Kunst(NL)- > Link: Kölnischer Kunstverein-