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Frank Zappa protzte “Playing guitar” is like fucking, you never forget it.” Spätestens seit Jimi Hendrix weiß die Welt, dass man mit einem Seiteninstrument sogar Sex haben kann und dass eine elektrische Gitarre nicht einfach eine Gitarre ist, sondern ein Statement. Hinreißend, laut, rebellisch. Ausstellung in der Wiener Kunsthalle...Antje Mayer empfiehlt:

Go Johnny Go! Die E-Gitarre - Kunst und Mythos (24. Dez.03 bis 14. März.04)

Die E-Gitarre in der Kunst

Damit wäre das Thema der Wiener Kunsthallen Ausstellung „Go Jonny Go! Die E-Gitarre. Kunst und Mythos“ (bis 7. März 2004) eigentlich schon umrissen. Allerdings nicht die zigmalste Popgeschichte-Show wollte man mit ihr hinlegen, so Thomas Mießgang, der mit Wolfgang Kos das erste Mal weltweit so einen „Gitarren-Parcours“ konzipierte, sondern die Geschichte der E-Gitarre als visuelle Geste untersuchen: als Designobjekt, als Kunstthema, als Image- und Werbesujet, als politische Gebärde.
Was ist so sexy an der E-Gitarre? Sie ist allzeit willlig, also relativ leicht zu handhaben. Selbst Unerfahrene können ihr viele nette effektvolle Töne entlocken. Vor allem ist sie beweglich, man kann sie vulgär nahe am Körper spielen, da man durch ein langes Kabel mit dem stationären Verstärker verbunden ist. Das erste Mal in der Musikgeschichte, dass eine elektrische Soundmaschine sich so sinnlich gab, meint der Kurator Mießgang: „Damit wurden letztendlich die exzentrischen Posen möglich, die den Gitarrenkult begründen“. Wenn der österreichische Künstler Heimo Zobernig in einen seiner Videos Luftgitarre spielt, also die Seitenzupf-Bewegungen nachmacht ohne Instrument, weiß jeder, was gemeint ist. Die Spielgebärde taugt bis heute -wie die E-Gitarre selbst- als global verständlicher Code für Jugendkultur und Aufbegehren.
Und wunderbar laut kann man mit der E-Gitarre die Trommelfelder zum Vibrieren bringen. So mutierte die „Electric Lady“ zum Star der Massen, der großen Rockkonzerte, manchmal auch zu zwangsbetörenden Pop-Waffe, die sich „mehr noch als Raketen oder Satelliten zur Ikone der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert“ wandelte. Davon ist Gitarrenfetischist Lee Ranaldo von Sonic Youth jedenfalls überzeugt.
Anhand von Videos, Poster, Plattencover, darunter jede Menge originaler „Rolling Stone“ - Ausgaben und 80 Instrumenten wird in Wien die Designgeschichte rum um die E-Gitarre illustriert. Die erblickte übrigens in den Dreißigern des 20. Jahrhunderts im Umkreis der immer lauter werdenden Big Bands ihr Licht. Zu sehen sind Kultmodelle der Firmen Gibson oder Fender. Auch Raritäten und Spezialmodelle locken die Nostalgiker, von denen sich einige wehmütig an ihre Jugend erinnern dürften. Was waren das für Zeiten als eine fein pfeifende Rückkoppelung, ein delikates Wah-Wah, ein obszöner Vibratoreffekt, eine jaulend verzerrter Akkord noch als virtueller Passierschein für die große weite, also westliche, Welt taugten, wenn auch nur eine Bandsession lang in Papis Garage. Die E-Gitarre als „Identitätsschaffer“ und „Provinz-Phänomen“ untersuchen Mießgang und Kos anhand von Vorarlberg, Westafrika und Osteuropa.
Witzige Pointe der Ausstellung: Viele der etwa 30 gezeigten bildenden Künstler rockten früher selbst als Musiker auf der Bühne ab. Seitdem sind sie kontaminiert: Lori Hersberger, Hans Weigand, Jeff Wall oder Rodney Graham. Alles Männer übrigens. Denn zu guter Rockmusik, so behauptet manch ein Macho gehören eben „Kopf, Herz und Schwanz“. Wo soll auch die Frau das Gerät hinhängen, ohne dass ihr Busen zerquetscht wird? Die Antwort darauf gibt der Ausstellungsteil, der sich mit dem Thema E-Gitarre und Weiblichkeit beschäftigt. Insidern dürften jedoch Folgendes bekannt sein: Je tiefer desto cooler.



erschienen in Kunstzeitung 03
> Hinreißend, laut, rebellisch > Kunsthalle Wien-