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Raum und Zeit haben in der Architektur immer etwas miteinander zu tun. Architektur und Geschwindigkeit ist ein Thema. Forschung und Entwicklung ist oft ein Aspekt der kreativen Gestaltung. Entdeckungsgeist und die Faszination der Maschine haben schon Buckminster Fuller Transportmittel entwerfen lassen. Doch wenige haben je das Lenkrad oder Steuer selbst in Hand genommen. Hagen Zurl schon – nach jahrelanger Entwicklung ging sein Segelboot in Produktion und im August 2002 schließlich ins Wasser. Von Manuela Hötzl.

Architektur mit Windstärke 10

Der Grazer Hagen Zurl ist ein Tüftler im ureigensten Sinn und Architekt. In seinem Büro setzt er sein Wissen um Material und technische Lösungen im Modellbau um, mehr privat, baut er an möglichst schnellen Fahrzeugen. Das sind einerseits Autos und andererseits Segelboote.

Sein erstes Boot realisierte er schon 1975, in Polyester mit einer Länge von 9 Metern. Die Idee an der Umsetzung für ein neues größeres und vor allem schnelleres Boot, begann er 1996 zu entwickeln. Die Form des Bootes wurde in vier Entwicklungsstufen und Modellen ausgelotet und im Frühjahr 1999 startete der Bau des Segelbootes „Gran Fiasko“. Ein Prototyp bei dem die jahrelange Kenntnis des Seglers und Konstrukteurs zum Tragen kam. „Aus einer Serie von Fakten“, erklärt Hagen Zurl, Pioniergeist und intuitive Kraft ging er das Risiko der Realisation ein – ohne vorherige Testphase, die nur mittels eines Bootsbausprogrammes möglich gewesen wäre. Wesentlicher Ansatz war die Regattafähigkeit des Segelbootes, zusätzlich sollte die „Gran Fiasko“ sollte aber auch Komfort bieten. Konstruktiv wurde das Boot als Leichtbau aus Aluminium mit einem Aussteifungsskellett ausgeführt. Aluminium ist bei einem Boot dieser Größe nicht üblich, vor allem aus Kostengründen, bietet aber im Verhältnis zum Gewicht eine hohe Festigkeit und Langlebigkeit. Der Kiel ist aus Blei. Innen wurden die Wände als Sandwichkonstruktion (Aluwaben mit Glaskunststoffgewebe) ausgeführt. Die Decken sind aus Sperrholz, der Boden mit Holzleisten verkleidet. Das Rigg (für alle die unter Seekrankheit leiden oder noch nie das Vergnügen hatten auf Segeltörn zu gehen, zur Erklärung, beinhaltet alles, was über Deck liegt) besteht aus einem Aluminiummast, aus Wanten und Stargen aus Nirosta und einem Großbaum – eine Sonderanfertigung aus Aluminium, das zur Materialersparnis in kraftneutralen Zonen gelocht wurde. Das Deck selbst wurde in einer zweischaligen Holzkonstruktion gefertigt. Das erlaubt eine permanente Kühlung und den schnellen Abfluss des Wassers. „Das Steuerrat ist die Visitenkarte eines Bootes“, meint Hagen Zurl und hat ein sehr leichtes Rad mit statisch aufgelösten Kraftlinien entworfen, dass vor allem auf Zug und Druck wirkt und keine Biegespannung erzeugt.

Geringe Wandstärken und die dadurch erreichte Optimierung des Gewichts, im Kombination mit der Form macht das Boot schnell und wendig. Der Beweis dafür ist bereits erbracht. Im Mai 2002 gewann das Segelteam mit der „Gran Fiasko“ das blaue Band bei einer Regatta für die schnellste gesegelte Zeit aller Einzelfahrten. Jenseits von 350.000 € kostete der Bau des Segelbootes, planende Leistungen und Arbeitsstunden nicht eingerechnet. Ohne Hilfe von Kollegen und Partnern, die Hand anlegten und planend unterstützten, hätte der Prototyp das Wasser vielleicht nicht erreicht.

Die „Gran Fiasko“ ist nicht nur ein schön designtes Segelboot und – wie könnte es anders sein, für ein Architektenboot – dunkel(blau), sie ist auch ein Produkt langjähriger Auseinandersetzung mit Konstruktion, Angemessenheit und der Erfahrung als Segler. Die Form folgt der Funktion in erster Linie, denn Bootsbau setzt nicht unbedingt architektonische Kenntnisse voraus, das ist aber genau der Mehrwert dieses Bootes – und die Geschwindigkeit natürlich.

Länge: 14,00m
L Wasserlinie 11,60m
Breite 4,16m
Masthöhe 19,50m
Tiefgang 2,50m
Gewicht 9 800kg

Segelfläche:
Großsegel 55m²
Genua 85m²
Spinaker 195m²

Motor:
Volvo Penta MD22L
Dieseltanks 250l
Wassertanks 600l



erschienen in Architektur&Bauforum Nr.04/02